Gehirnwaesche - Die Aasgeier - Streit bis aufs Blut
gesagt, solche Leute kommen hier fast jede Woche vorbei.«
»Und sie haben dir deine Geschichte geglaubt?«
»Vollkommen. Es war eine alte Frau, weit über siebzig Jahre alt, mit ihrem schwachsinnigen Sohn. Ich habe ihnen die Karte gezeigt und gefragt, wo man die Nacht über vor Anker gehen könnte; und dabei habe ich mich beiläufig nach Hellgate erkundigt.«
»Wie haben sie reagiert?«
»Ganz normal. Es sei ein privates Grundstück, bewohnt von netten Leuten; aber auf Besucher seien sie nicht besonders erpicht.«
»Sehr gut«, sagte Chavasse. »Dann wollen wir weiter. Es wird bald dunkel.«
Von ferne hörten sie es donnern; ein Gewitter stand bevor. Chavasse machte das Tau los. Malik startete. Darcy kam erst wieder an Deck, als sie außer Sichtweite waren. Sie befuhren einen schmalen Flußarm, dessen Ufer dicht von Schilf bestan den waren.
Chavasse kletterte auf das Dach der Kabine und breitete die Karte aus. Am Anfang war es noch ziemlich einfach, ihren Kurs zu verfolgen; aber es wurde schwieriger, je tiefer sie in das Sumpfgebiet eindrangen.
Sie hatten absichtlich keine Route gewählt, die sie direkt nach Hellgate geführt hätte. Sie hielten sich in nordöstlicher Rich tung und näherten sich schließlich ihrem Ziel von der rückwärtigen Seite her.
Es war schon fast dunkel, als sie in eine kleine Lagune einbo gen, und Chavasse rief leise: »Okay, bis hierher.«
Malik schaltete den Motor aus, und Darcy warf den Anker. Das Wasser mochte an dieser Stelle zweieinhalb Meter tief sein. Plötzlich war alles still; nur die Frösche quakten noch, und ab und zu raschelte im Dickicht ein Vogel.
»Wie weit ist es noch?« fragte Darcy.
»Ich schätze vierhundert Meter, mehr nicht«, sagte Chavasse. »Bei Sonnenaufgang nehmen wir das Schlauchboot und sehen uns das Gelände aus der Nähe an.«
»Wird interessant werden«, sagte Malik.
»Das denke ich auch.«
Über ihnen ertönte ein gewaltiges Donnern; ein wolkenbruch
artiger Regen setzte ein. Sie stiegen eilig über die kleine Treppe in die Kabine. Draußen war es vollkommen dunkel.
13
Hellgate
Die Welt war kalt, grau und häßlich, als Chavasse am nächsten Morgen um vier Uhr dreißig an Deck ging. Der Regen prassel te mit unverminderter Heftigkeit auf die Sumpflandschaft nieder. Das Schilfrohr, die Büsche und das Dickicht in ihrer Umgebung waren in der Morgendämmerung zum Leben erwacht. Vögel riefen aufgeregt durcheinander, und Wildgänse erhoben sich zum Flug durch den Regen.
Er hatte sich wasserdichte Stiefel und einen Anorak mit Ka puze angezogen; um den Hals trug er ein Fernglas. Darcy Preston kam in derselben Ausrüstung an Deck. Schließlich folgte auch Malik, der sich mit einem riesigen schwarzen Regenschirm gegen den Regen schützte. »Das letzte Fleckchen Erde, das Gott gemacht hat.« Der Pole bibberte vor Kälte. »Ich hatte ganz vergessen, daß es hier auch solches Wetter gibt.«
»Das reinigt die Seele, Jacob.« Chavasse setzte das Schlauch
boot aus. »Wir bleiben nicht lange – höchstens ein paar Stunden. Ich will mir ein Bild von den Größenverhältnissen machen, mehr nicht.«
»Merkt euch den Weg, damit ihr auch wieder zurückfindet«, sagte Malik. »Das ist gar nicht so einfach in dieser Gegend.«
Darcy Preston übernahm die Ruder; nach kurzer Zeit schon war die Alouette außer Sichtweite. Chavasse konzentrierte sich auf Karte und Kompaß, und Preston ruderte nach seinen Anweisungen; sie nahmen direkten Kurs auf Hellgate. Durch Sumpf, Schilfrohr und über schmale Flüßchen drangen sie immer tiefer in eine verlassene Welt ein.
»Hier sieht alles aus, als hätte sich seit Urzeiten nichts verän dert«, sagte Darcy.
In dem Dickicht zu ihrer Linken raschelte es; das Schilfrohr teilte sich, und ein junger Stier bahnte sich einen Weg ans Ufer. An einer seichten Stelle blieb er stehen und beobachtete sie argwöhnisch.
»Einfach weiterrudern«, sagte Chavasse. »Die Hörner des Burschen sind so lang wie dein Arm. Zu Fremden sind diese Tiere nicht besonders freundlich.«
Darcy legte sich mächtig ins Zeug, und der junge Stier ver schwand außer Sichtweite. »So einem Burschen möchte ich nicht im Dunkeln begegnen«, sagte er. »Warum läßt man die Tiere denn hier auch frei herumlaufen?«
»Die Stiere werden hier gezüchtet – sie wachsen hier in Frei heit auf und werden kräftig und stolz. Das hier ist das Land der Stiere, Darcy. Die Leute hier beten die
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