Gehirnwaesche - Die Aasgeier - Streit bis aufs Blut
zusammen.
»Los, fahren wir.«
»Ich habe darüber nachgedacht«, sagte Chavasse. »Kann sein, daß wir uns schrecklich in die Nesseln setzen. Ich finde, es ist Unsinn, wenn wir beide hingehen.«
»Wie du meinst.« Youngblood grinste und legte seinen Arm um das Mädchen. »Dann bleibe ich hier und paß auf Molly auf.«
»Gut«, sagte Chavasse. »Wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin, dann komm und sieh nach.«
»Falls ich dann noch hier bin«, sagte Youngblood spöttisch.
Chavasse nickte. »An die Möglichkeit habe ich auch schon gedacht. Am besten, du gibst mir die Hälfte von dem Geld – für den Fall, daß ich mich allein weiter durchschlagen muß.«
Youngblood zögerte einen Moment, dann zog er Crowthers Brieftasche hervor. »Warum nicht?« Er nahm fünfundzwanzig Pfund heraus und gab sie Chavasse. »Und welche Garantie habe ich dafür, daß du nicht allein abhaust?«
»Gar keine«, sagte Chavasse, wandte sich ab und ging rasch durch den Regen davon. Youngblood sah das Mädchen an, das ängstlich zu ihm aufblickte. Ihr Gesicht war naß von dem Regen, und ihre Augen glänzten. Er legte seinen Arm um ihre Hüfte und drückte sie an sich. »Wer weiß, wie lange wir warten müssen. Am besten, wir steigen hinten auf den Lastwa gen und machen’s uns gemütlich.«
»Wie du willst, Harry.«
Sie kletterte zuerst hinauf, und als er ihr über die hintere Wagenklappe half, zitterten seine Hände vor Erregung.
Das Haus, eine halb von Efeu überwucherte Villa, stand ein Stück abseits von dem Weg. Der lange, schmale Garten, in dem nur ein paar Narzissen blühten, war feucht vom Regen. Er ging über den mit Steinplatten belegten Pfad auf die Veranda zu. Neben der Tür war ein Messingschild mit der Aufschrift: Madame Rosa Hartman – Sprechstunde nur nach Vereinba rung.
Chavasse klopfte. Hinter der Tür hörte er plötzlich trippelnde Schritte und ein leises Knurren; dann war es wieder still. Nach einer Weile tappte ein Stock über den Boden, und dann ging die Tür auf und eine Frau schaute heraus.
Sie war mindestens siebzig und hatte ein gelbes zerknittertes Gesicht und glatt zurückgekämmtes, hinten zu einem altmodi schen Knoten gebundenes Haar. Sie trug ein Tweedkostüm, dessen Rock fast bis zu den Knöcheln reichte, und hielt in der linken Hand einen Ebenholzstock. Mit der rechten Hand umklammerte sie das Halsband eines der prächtigsten Hunde, die Chavasse je gesehen hatte – eines schwarzbraunen Dober manns.
Der Hund knurrte drohend, und sie zerrte an seinem Hals band. »Sei ruhig, Karl. Ja, Sie wünschen?«
Sie sprach mit leicht österreichischem Akzent und beugte sich dabei ein wenig vor, so daß er ihre weißlich-trüben Augen sah.
»Könnte ich Sie bitte einen Moment sprechen?«
»Möchten Sie mich konsultieren?«
»Ja.«
»Ich kann Klienten nur nach vorheriger Vereinbarung an
nehmen. Ich muß äußerst vorsichtig sein. Die Gesetze sind in dieser Hinsicht sehr streng.«
»Ich bin nur auf der Durchreise«, sagte er. »Ich wäre Ihnen wirklich dankbar. Sie sind mir warm empfohlen worden.«
»Hm.« Sie zögerte einen Moment. »Wie heißen Sie?«
»Unwichtig«, sagte er. »Wesentlich mehr dürfte Sie mein Reiseziel interessieren.«
»Und das ist?«
»Babylon?«
Einen Moment herrschte Stille, dann trat sie einen Schritt zurück. »Kommen Sie doch bitte herein, junger Mann.«
Die Diele war mit Eichenholz getäfelt, und auf einem kleinen Tisch unter einem großen vergoldeten Spiegel stand eine Vase mit Hyazinthen. Sie machte die Tür zu und ließ den Dober mann los. Er lief zu Chavasse und schnupperte an seinen Beinen.
»Hier, bitte«, sagte sie und ging zu einer Tür am anderen Ende der Diele.
Der Raum, in den sie traten, war offenbar ihr Arbeitszimmer.
An den Wänden standen lange Bücherregale, und im Kamin brannte ein Feuer. Die Fenster hatten Butzenscheiben, durch die man Bäume und dahinter einen Fluß sah.
Die Frau setzte sich hinter einen kleinen runden Tisch und deutete auf den gegenüberstehenden Sessel. Chavasse nahm darauf Platz, und der Dobermann legte sich auf den Boden und starrte ihn wachsam an.
»Wer sind Sie, junger Mann?«
»Ist das wichtig?«
Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht nicht. Geben Sie mir Ihre Hand.«
»Darf ich fragen, wozu?« sagte Chavasse erstaunt.
»Das ist sehr bedeutungsvoll für mich. Sie wissen doch, ich bin Hellseherin, oder?«
Er nahm ihre Hand und drückte
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