Gehoere ich halt nicht dazu
sofort das Pro b lem des „Wie“ in den Raum. Ich bin selbst dafür zu blöd. Zu einfallslos. Zu träge. Es würde mich auch niemand hier unterstützen, schätze ich. Ich schaue in den Raum. Niemand sieht mich an. Ich bin viel zu unwichtig. Es würde mich wohl auch niemand retten wollen. Aus demselben Grund. Arschl ö cher.
Ich hasse mich wieder. Aber der Hass reicht auch die s mal nicht ganz zur völligen Selbstvernichtung. Zu gar nichts reicht er. Vielleicht gerade einmal zum Leiden. Aber nicht etwa zu einem großen, erwachsenen, allseits anerkannten, märtyre r haften Leiden. Nein. Mein Leiden ist so durchschnittlich wie ich bin. Unsicher, kindisch, fad und lästig. Ein Leidchen. Ich kann die Leute richtig grinsen sehen. Wie sie sich lustig machen über mich. Und sie haben Recht. Es ist okay. Ich schau mir mich an und u r teile: Peinlich. Zum Lachen und Weinen zugleich. Ich würde so gerne mit den anderen über mich mitlachen. Doch dummerweise bin ich ich. Ich kann nicht raus aus diesem Ich. Und ich will auch nicht mehr rein. Ich bin d a zwischen. Wie immer und überall. Shit. Ausweglos.
Mein Handy piepst. Ich schalt es auf lautlos. Jolanda fi n de ich nett, aber sie ist mir völlig egal. Da sind mir mein Bier und das Gulasch, das eben heiß dampfend kommt, wesentlich lieber.
Ich esse und komme wieder zu Kräften. Ich denke an Kurt, den Menschen, der mein Vater sein kön n te. Vieles passt. Auch sein Aussehen. Aber meine Mutter hat mir doch immer einen anderen Namen genannt. Sie sagte, mein Vater sei ein berühmter Schauspieler aus Deutschland. Ich hatte mich b e reits daran gewöhnt, der Sohn eines berühmten Menschen zu sein, ich habe Zeitungsausschnitte gesammelt und seine Biographie im Internet mit meinen eigenen Daten vervollstä n digt. Ich habe mich geärgert, dass diese Daten immer wieder gelöscht worden sind. Kurt hingegen ist ein richtiger „no n a me“. Ich will nicht so einen Vater. Ich will lieber einen, der berühmt ist, denke ich. Jolanda schreibt noch eine SMS : „Heb bitte ab, melde dich. Ich mach e mir solche Sorgen. Was ist nur los? Ist es wegen mir?“
Ich antworte nicht.
Ich überlege, ob mir der Name Kurt Kuhweide oder Kubala, nein Kuhbauer etwas sagt. Er sagt mir nichts.
Ich bestelle keine Nachspeise. Der Kellnerin gebe ich kein Trinkgeld. Ein alter Mann schaut sehr komisch, als ich das Lokal verlasse. Er murmelt etwas von Manieren und Handy. Mir egal. Altes Arsc h loch.
Ich fahre heim. Mit dem Taxi. Sonntags Mittag dauert eine solche Fahrt nicht lange. Ich gehe ins Haus, freue mich auf Ruhe. Doch vor meiner Wohnungstür wartet Jolanda. Was nett ist. Aber was ich jetzt nicht brauchen kann. Ich will mich umdrehen, weglaufen, aber sie hat mich natürlich schon g e sehen.
„Was ist mit dir los ? “, fragt sie.
„Wo ist Florian?“, frage ich.
„Dein Nachbar kümmert sich ein bisschen um ihn. Er hat uns hier draußen warten gesehen und spielt jetzt mit dem Kle i nen.“
Super, denk ich. Schleimer.
„Im Krankenhaus haben sie mir gesagt, dass sie dich en t lassen haben“, sagt Jolanda. „Und ich habe dich nicht mehr erreicht und mir Sorgen gemacht.“
Super, denke ich, dann weiß Frederick auch wahrschei n lich alles von meinem gestrigen Abend.
Ich höre, wie jemand die Stiegen rauf kommt und wie Florian singt.
„Ah, geht’s dir wieder besser ? “, fragt Frederick. „Wir h a ben das Schaukelpferd von Frau Schönthaler besucht.“
„Hü hott“, sagt Florian.
„Ich bin gerade heimgekommen“, sage ich.
„Gerade ist er gekommen“, sagt Jolanda. Sie weint fast.
Ich bin überfordert. Zum Glück ist Frederick manchmal nicht ganz dumm. „Ich glaube, du willst dich erst einmal umziehen. Und wir machen dir in der Zwischenzeit ein Mittagessen. J o landa, kannst du mir kochen helfen?“, fragt mein Nachbar.
„Das ist eine gute Idee“, sage ich, weil mir keine bessere einfällt. Und um guten Willen zu demons t rieren , sage ich: „Ich dusche mich, ziehe mich um, dann komm ich zu dir rüber.“
„Jolanda, kannst du Gulaschsuppe kochen“, fragt Fred e rick.
Ich sage nicht, dass ich gerade gegessen habe.
In meiner Wohnung herrscht nach wie vor Chaos , und ich bin froh, dass ich Jolanda nicht hereinlassen musste. Wobei als Frigo-Verkäuferin hätte sie sich hier vielleicht sogar wohl g e fühlt.
Ich dusche lange und ärgere mich. Darüber, dass ich jetzt keine Zeit mehr habe, um meinen Abschied zu planen. Darüber, dass Jolanda bei Frederick wartet. Ich würde
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