Geht das denn schon wieder los?
gewesen sein und die angebliche Einladung lediglich eine Floskel ohne Anspruch auf Erfüllung, aber ich konnte die Dame wohl kaum an der Tür abfertigen. Also bat ich sie herein, überantwortete sie vorübergehend Stefanie, die spätabends von mir wissen wollte, warum ich nicht auch so tolle Klamotten hätte, und als ich mir endlich die Hände gewaschen und die Gartenerde unter den Nägeln herausgebürstet hatte, kam Rolf und enthob mich fürs Erste den Gastgeberpflichten.
Natürlich blieb Frau Doktor (»nur rer. pol., also nichts Besonderes«) zum Abendessen, natürlich bestätigte Rolf mit süßsaurer Miene seine Bereitschaft, sie am nächsten Tag nach dem Meeting durch den »entzückenden mittelalterlichen Stadtkern« unseres Nachbarortes zu führen, und natürlich würde man sich bald einmal in einer etwas ruhigeren Atmosphäre wieder sehen. Zwar hatte Helma nach eigenem Bekunden immer bedauert, keine Kinder zu haben, andererseits hätte sie eine große Familie im Hintergrund natürlich ans Haus gefesselt (wörtlich!), und sie hätte nie Karriere machen können.
Monatelang hörten wir nichts mehr von Frau Dr. Meyer-Manzaroni, dann kam eine Ansichtskarte aus Hawaii und später eine aus Tokio, beide mit »eilige Grüße von Helma« gezeichnet, hin und wieder rief sie »nur mal eben« an – sie war nicht direkt aufdringlich, aber hartnäckig, obwohl weder Rolf noch ich wussten, was sie denn überhaupt von uns wollte.
Nun gehört zu unserem Freundeskreis ein Psychologe, der seinerzeit, als ich ihn kennen lernte, meine Vorstellung von dieser Spezies restlos über den Haufen warf. Denn mit ihm kann man auch ganz normal über belanglose Dinge reden, er hat einen sehr subtilen Humor und kennt eine Menge guter Witze über seinen Berufsstand. Einmal hatte er sich sogar einen ganzen Abend lang meine Urlaubsdias von Jamaika vorführen lassen ohne mit einem Wort zu erwähnen, dass er zwei Jahre zuvor selbst dort gewesen war.
Also wurde vor Helmas nächstem Auftritt auch Jochen zu uns eingeladen, und seitdem hat
er
die Frau Doktor am Hals, allerdings erträgt er sie geduldiger als ich. Und nur deshalb bin ich meistens bereit, Frau Dr. Meyer-Manzaroni vom Flieger abzuholen, wenn sie mal wieder »lediglich für eine Atempause« aus Barcelona oder von Rügen einschwebt. Jochen ist nämlich nicht nur ein miserabler Autofahrer, er findet auch nie, was er sucht – nicht mal einen Flugplatz!
Sobald ich meinen Passagier im Hotel abgeliefert habe, ist mein Einsatz zwar beendet, aber falls ich Pech habe, lädt Jochen uns abends zu sich ein, dann erzählt Helma von früher, und wenn sie bei der zehnten Klasse vom Gymnasium angekommen ist, ist es Zeit zum Aufbrechen.
»Sie ist einsam«, hatte uns der Herr Psychologe gesteckt, »ihre zwei Männer haben sie zwar finanziell abgesichert, aber völlig allein zurückgelassen, und nun spielt sie sich und der ganzen Welt die unabhängige und ständig geforderte Überfrau vor.«
Inzwischen ertrage ich Helma mit Fassung, nur dass sie Rolfs Foto in ihrem Geldbeutel herumträgt, gibt mir etwas zu denken. Anfangs waren wir alle drei darauf zu sehen, doch dann hat sie mich einfach wegretuschieren und die Aufnahme neu reproduzieren lassen.
Diesmal stand ich endlich wieder als »Abflieger« und nicht nur als Abholer in der großen Halle und baute mich neben Steffi auf, die mit gerecktem Hals die Anzeigetafel musterte. »Weiß jemand, von welchem Gate wir abfliegen? Ich finde uns überhaupt nicht!«
»Die
Emirates
starten von Terminal zwei«, sagte Susanne, die Vielgereiste und schon deshalb von uns zum Cicerone Ernannte, »also erst Treppe rauf zum Bahnsteig, dann in die Schwebebahn, danach Treppe wieder runter, und den Rest werden wir auch noch finden.«
»Heißt das, wir müssen in dieses futuristische Gefährt, bei dem alles elektronisch geht und niemand da ist, der was tun kann, wenn der Strom ausfällt oder Feuer ausbricht?«
Es wird zwar immer behauptet, ausgefeilte Technik sei zuverlässiger als menschliche Routine, aber im Notfall ist mir ein Mann, der die Strickleiter runterlässt, wesentlich lieber als eine Lautsprecherstimme, die mir sagt, ich soll Ruhe bewahren und abwarten.
»Du kannst ja außenrum zu Fuß gehen«, empfahl Hannes, »die Frage ist nur, ob du das bis zum Abflug schaffst.«
Natürlich bin ich nicht zu Fuß gegangen, die Bahn hat auch ohne Zwischenfall die kurze Strecke bewältigt, aber ich hasse nun mal alles, was irgendwo oben festgemacht ist und
Weitere Kostenlose Bücher