Geht das denn schon wieder los?
den Briefkasten leert, sobald mal wieder tagelang niemand zu Hause ist, während die Nachbarin zur Linken keine gekriegt hat, obwohl doch ihr Mann schon zweimal die Mülltonnen rausgestellt hat. Und noch mal wehe, wenn man an Tante Luise geschrieben hat, jedoch nicht an Tante Elisabeth; aber kann man denn vorher ahnen, dass die beiden sechs Wochen später bei Onkel Roberts Beerdigung zusammentreffen, denn erstens sind sie sich überhaupt nicht grün, und zweitens wohnen sie normalerweise vierhundert Kilometer weit auseinander!
Susanne: »Weiß jemand die Postleitzahl von Rüppertsweiher?«
Steffi: »Haben die überhaupt eine?«
Susanne: »Rüppertsweiher gehört zu Deutschland, und in Deutschland hat man eine Postleitzahl zu haben!«
Steffi: »Und wo soll dieses Nest liegen?«
Susanne: »Woher soll ich das wissen?«
Steffi: »Weshalb schreibst du dann hin? Wer wohnt denn dort?«
Susanne: »So um die vierhundert Leute. Und Tante Adi.«
Steffi: (kurz vor dem Explodieren, trotzdem sehr prononciert) »Und wer ist Tante Adi? Die hast du doch noch nie erwähnt.«
Susanne: »Meine Patentante.«
Steffi: »Ich wusste gar nicht, dass du eine hast. Kennst du sie schon lange?«
Susanne: »Wahrscheinlich seit meiner Taufe.«
Steffi: »Und wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
Susanne:
»Bei
meiner Taufe.«
Steffi: (nach kurzer Überlegung): »Weshalb um alles in der Welt willst du ihr ausgerechnet
jetzt
eine Karte schicken?«
Susanne: »Weil ich noch eine übrig habe.«
Vielleicht wäre dieser besonders für Susanne typische Dialog noch eine Zeit lang weitergegangen, hätten wir nicht ein sich näherndes Knattern gehört und gesehen, wie Greg sein Walkie-Talkie ausschaltete und wieder an den Gürtel hängte. »Hannes scheint überlebt zu haben«, stellte Stefanie fest.
Wenig später kam er auf die Terrasse. »Das hat richtig Spaß gemacht, auch wenn ich immer wieder an Grenzen gestoßen bin!«
»So ein Quad ist doch kein Porsche«, erinnerte ich, »du hättest von vornherein wissen müssen, dass du mit dieser Mühle keinen Geschwindigkeitsrekord aufstellen kannst!«
»Davon rede ich doch gar nicht, ich meine den Zaun! Wie viele Quadratkilometer das Gelände umfasst, weiß ich nicht, aber es ist rundherum mannshoch eingezäunt. Es gibt sogar ein paar Wachttürme, und ich bin nie das Gefühl losgeworden, beobachtet zu werden, obwohl ich niemanden gesehen habe. Vermutlich hat Greg jederzeit gewusst, wo ich gerade herumkurve. Hier
kann
überhaupt niemand verloren gehen!«
»Er hat ja auch dauernd telefoniert«, fiel mir ein.
»Er hat was?«
»Na ja, Walkie getalkt – oder wie nennt man es, wenn jemand ständig quasselnd mit diesem Kasten vorm Schnabel herumläuft?«
»Big brother is watching you«, sagte Stefanie.
Während wir etwas unschlüssig herumstanden und überlegten, womit wir die noch verbleibenden zwei Stunden ausfüllen könnten, erschien Salima – sie trug Violett – und holte uns in die Rezeption. Miss Nazirah würde uns gern zum Tee einladen und bei dieser Gelegenheit persönlich verabschieden.
Frei übersetzt hieß das: Es wird allmählich Zeit, dass ihr eure Rechnungen für die Getränke an der Bar bezahlt und die Steinböcke aus Porzellan, die Steffi und ich für unsere Putzfrauen erworben hatten – kleine Geschenke erhalten den Arbeitseifer!
Diesmal gab es keinen Touristen-Frühstückstee in normal großen Tassen, sondern ein dunkles bitteres Gebräu, serviert in einer Art Mokkatässchen; unsere Rechnungen bekamen wir auf Büttenpapier mit Golddruck, doch unsere Dollarscheine wollte Miss Nazirah nur zögernd annehmen, und ob wir denn keine
creditcards
hätten
or something like that?
Richtig, in dieser elitären Umgebung fand Bares vermutlich nur als Trinkgeld Verwendung, und Miss Nazirah war auch sichtlich erleichtert, als wir unsere Plastikkarten herausholten; vermutlich hätte sie gar kein Wechselgeld gehabt.
Dann mussten wir uns in das dicke und noch ziemlich leere Gästebuch eintragen (»Susanne, was heißt ›beeindruckend‹ auf Englisch?«), und plötzlich entdeckte Steffi im Nebenraum den an einer Wand dekorierten Bademantel, umrahmt von Handtüchern jeder Größe und versehen mit dezent angebrachten Preisschildern. »Ich glaube, jetzt kriege ich ihn doch noch!«
Sie hat den Bademantel
nicht
gekauft! »Für zweihundertachtzig Dollar müssten wenigstens ein paar echte Goldfäden eingewirkt sein!«, befand sie wenig später. »Und überhaupt ist dieses komische
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