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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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enttäuschten sie nicht. Freunde seien das Wichtigste auf der Welt. Wichtiger als Eltern und alles andere auf der Welt.
    Thomas nickte.
    Sie habe 167 Freunde auf der ganzen Welt. Sie brauche Freunde wie die Luft zum Atmen, so viele Freunde wie möglich, aber einen Freund mochte sie nicht haben.
    Thomas nickte.
    Sie habe 167 Freunde auf Facebook.
    Thomas nickte.
    Das sei leider alles einfach überhaupt nicht kompatibel, zwei völlig unterschiedliche Konzepte, sie habe das bestimmt nicht gewollt, die Botschaften, missverständlich, vielleicht, aber gewiss nicht gewollt, 167 Freunde, London, New Orleans, auch Australien vielleicht, sie halte ihre Optionen gern offen, zwitscherte Sandra vergnügt, und Thomas nickte. Er trank einen Schluck, der Kaffee war noch so heiß, wie er ihn bestellt hatte, und die Sonne stieg über die Häuser. Sandra sagte, sie sei glücklich.
    »Ich bin glücklich, es ist alles so offen.«
    Du bist eine Jeans, du bist ein hummeldummer Bestseller.
    Du bist Bioshampoo, du bist eine Kinokarte.
    »Und die Überraschung?«, fragte Thomas, um aus dem Loch zu kommen.
    Sandras Augen leuchteten. Sie stand auf, schob ihren Stuhl in seine Nähe, zog einen Laptop aus ihrer Tasche, stellte ihn auf den Tisch und klappte den Bildschirm auf.
    »Der Film ist fertig. Die Color Revolution am Rosenthaler Platz. Ich hab ihn dabei.« Sandra schob eine CD ins Laufwerk.
    Thomas sah auf den Bildschirm. Er sah darauf den Eingang des U-Bahnhofs Rosenthaler Platz. Menschen stiegen in den Schacht. Er sah die Kreuzung aus der Luft. Er hörte die Geräusche der Straße, Menschen überquerten den Damm. Er sah vermummte Fahrradfahrer, sie balancierten große Wannen mit Farbe vor dem Lenkrad. Die Geräusche der Straße verstummten, und Thomas hörte Töne wie fallende Tropfen. Farbe ergoss sich auf den Asphalt, Thomas hörte ein sanftes Xylophon, eine Melodie leise fließenden Wassers, als hätte jemand für einen Moment die Zeit angehalten, er sah Samy, Murat, hörte Laute des Erstaunens, blaue Farbe floss über den Asphalt, Hieronimus, Daniel, rot, Reifen fuhren durch violette Farbe, gelbe Striche wanderten quer durch das Bild, das sich selbst zeichnete, Streifen, Schwünge, ein Synthesizerfluss aus Reifen, die Bahnen zogen und Bögen, ein Junge hüpfte in eine blaue Pfütze, es ist, als hätte jemand für einen Moment die Welt angehalten und den Regenbogen auf die Straße gelegt, einen wunderbaren, magischen Moment lang …
    Thomas begeisterte sich gerade, da war der Film auch schon zu Ende.
    »Das war’s?«
    »Das war’s. Es ist ein Internetfilm. Eine Minute. Nächste Woche wird der Clip ins Netz gestellt. Auf YouTube.«
    »Natürlich kommt noch Werbung dazu«, sagte Sandra. »Darum geht es doch. Es ist ein Turnschuh. So wie – hey, die Stadt, in der Kunst wie von selbst passiert. Hol dir den Schuh dazu! Oder: Trag den Turnschuh und hol dir den Regenbogen vom Himmel! So was. Wir rechnen mit Millionen Hits. Das wird einschlagen wie eine Bombe, und der Turnschuh verkauft sich wie geschnitten Brot. Super, oder?«
    Sie sah ihn an. Ihre Augen glänzten.
    »Super«, sagte Thomas.
    Die Sonne stand hoch über der Straße.
    Du bist ein Turnschuh, du bist Fischstäbchen.
    Die Revolution ist eine Minute YouTube.
    Sie saßen in der Sonne, Thomas rieb sich die Stirn. Begriffe, Worte zogen wie schnelle Bildschnitte an seinem inneren Auge vorüber. Marketing. Prosumer. Profit. Die Welt anhalten und Anwälte töten. Kauf dir den Turnschuh und hol dir den Regenbogen. Natürlich kommt noch Werbung dazu. Darum geht es doch. Thomas massierte sich die Schläfen. Wer zehn Facebook-Freunde verbrennt, bekommt einen Cheeseburger. Thomas versuchte zu lächeln. Sandra klappte den Laptop zu und verstaute ihn in ihrer Tasche. Er bekam Kopfschmerzen. Sandra hatte Hunger. Sie roch sanft nach Weingummi Waldmeister. Wer eine virtuelle Kuh findet in einer virtuellen Landschaft, wird der amerikanische Präsident. So ist das. Sandra bestellte einen probiotischen Salat. Seine Gedanken tanzten um ihre Pausbacken. Thomas sah tausend Anwälte in schwarzen Anzügen, die Leichen fledderten auf einem Schlachtfeld. Fünfzig Euro pro Kadaver, schoss es ihm durch den Kopf. Sandra lächelte. Thomas hörte Klicken, Jaschas Tastaturgeräusche. Konrad Zuses Maschine. Kreativität und Interaktivität. The medium is the message, Verehrung und vielen Dank. Der Salat kam, und Sandra aß mit Heißhunger. Hochleistungskabel, Siliziumverbindungen, Schaltkreise. Der Mensch ist

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