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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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noch sagen, dann ist der Livrierte in der Lobby verschwunden.
    Nach einer Weile kehrt er zurück.
    »Ja, also eine Gesellschaft, habe mich erkundigt.«
    »Aha.«
    »Es sind auch Herren dabei, die früher einmal in diesem Bankhaus gearbeitet haben.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es jetzt ein Hotel ist. Seit wann denn?«
    »Seit Oktober 2006, Sir.«
    »Ist ja fabelhaft. Ganz erstaunlich. Gibt es noch Reste des alten Bankhauses, ich meine, hat man irgendwelche Säle und Räume so belassen, wie sie mal waren?«
    »Aber ja: der ganze ehemalige Panzerraum! Alles original. Und erst der Ballsaal. Da sind noch die Marmorböden des Bankhauses erhalten, und darauf steht Dresden, Berlin, London, vielleicht, weil sie dort einmal Niederlassungen hatten, und in der ersten und zweiten Etage sind die Decken so hoch wie in einer Kathedrale. Was sag ich, wie in einem Palast«, gerät der junge Livrierte ins Schwärmen.
    Er freut sich über dieses Haus, als wäre es seines, denkt Frantz, er möchte den Besucher von der Presse an dieser Begeisterung teilhaben lassen, als sei er mit dem Haus verwachsen, als wäre er ein Teil davon wie der Elbsandstein oder das Schild »Berlins schönste Dachterrasse lädt wieder ein«. Ein kleines Messingschild befindet sich auch auf seiner Brust. Darauf steht »Frank«.
    »Kommen Sie, kommen Sie«, fordert Frank Frantz auf, Frantz folgt ihm in die Lobby.
    Der junge Mann trägt eine Uniform, die an einen Militärmantel erinnert. Der lange, schwere Mantel reicht bis zu seinen Füßen. Er ist dunkelblau und weist an Ärmeln und Kragen bordeauxfarbene Bordüren auf. Der junge Mann trägt trotz der Wärme einen gleichfarbigen Schal und schwarze Lederhandschuhe sowie eine blaue Schildmütze mit Goldrand auf dem Kopf. An seinem Revers steckt eine rosa Nelke. Stolz präsentiert er Frantz das Innere der Halle. Riesige schwarze Sofas mit schrankhohen Lehnen bilden einen Kreis auf einem roten Teppich. Der Rest der Halle ist bis zur Decke mit schwarzem Marmor ausgeschlagen. Schwarze Vasen von der Größe eines Portals zieren Empfang und Treppe, Glas, Stuck, Art déco, so weit das Auge reicht, das Ganze erschlägt Frantz ein wenig, von der Decke hängt ein kristallener Lüster, den ein Kran angebracht haben muss.
    »Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Sir …«, sagt Frank.
    Frank führt Frantz zu einer zweiten Marmortreppe am Ende der Halle. Auf dem Weg hinab zeigt er mit dem Finger auf allerlei Gobelins, in der Halle des Untergeschosses macht er hier auf etwas aufmerksam, deutet dort auf eine Statue. Vor einer schweren Eisentür bleibt er stehen. Er tippt mit beiden Händen an die Tür, sie öffnet sich langsam, wie von einer verborgenen Mechanik bewegt.
    »Der Panzerraum.«
    Frank geht vor, Frantz folgt ihm, in einigermaßen erhabenem Schritt.
    Frantz glaubt sich im Inneren von Fort Knox oder einer Zentrale von Wells Fargo. Auf dicken Panzertüren befinden sich geschnörkelte Lettern und Malereien wie auf einem Bauernschrank. An manchen Türen ist der Lack schon brüchig. Man hat hier auf die Retusche verzichtet. Schwere Drehkreuze aus Messing. Einige Türen stehen offen, andere sind geschlossen. Die Brüchigkeit verleiht der Schwere des Metalls noch ein zusätzliches, ein historisches Gewicht. Weiches Licht dringt durch vergitterte Fenster in dieses Souterrain und fällt auf einen Deckchair aus Mahagoni. Darauf roséfarbene Frotteetücher. Auf einem Beistelltisch bunte Flacons. Rosenblütenblätter und flimmernde Teelichter in kleinen Gläsern.
    »Der Raum wird als Beauty-Salon genutzt«, erklärt Frank.
    Frantz nickt und sieht sich weiter um. In den begehbaren Tresorräumen, dort, wo sich einmal Berge von Banknoten, Devisen, Handelsbriefen, Wertpapieren aus aller Welt befunden haben mussten, überall kleine Teelichter. Ein Andachtsraum des Kapitals. Eine funkelnde Sakristei des Geldes. Frantz stellt sich vor, wie Generationen von Bankiers hier unten ihre Weihen erhalten und einen feierlichen Eid auf ewiges Wachstum geschworen haben mögen. Ein Beauty-Salon also. Und warum eigentlich nicht? Gingen Geld und Schönheit nicht schon immer gut zusammen?
    Frank guckt Frantz an, als erwarte er eine Huldigung. Da sieht der Frantz den Frank eher etwas verlegen an, als wolle er ihn etwas Unangenehmes fragen.
    »Sagen Sie mal, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Wissen Sie eigentlich, wer da draußen auf dem Platz gerade demonstriert hat?«
    Frank steht, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, wie eine Eins, so

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