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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Megäre, elende.
    Ich behielt jede Menge für mich, zeichnete aber doch die groben Umrisse der Scheiße, in der ich steckte. Zwischendurch holte sie noch ein paarmal kaltes Bier. Als ich mit meiner Story fertig war, hatten wir eine ganze Batterie leerer, brauner Flaschen auf dem Tisch stehen. Mehr Flaschen als Häkeldeckchen. Eine ordentliche Menge, also.
    Halb vier. Sie fragte, ob ich Hunger habe. Nach dem ordentlichen flüssigen Mahl nicht, nee. Das verstand sie. Misty konnte ordentlich mithalten. Sprach klar und deutlich, trotz ihres Konsums. „Ich zeige Ihnen, wo Sie heute schlafen können,“ sagte sie, und ging vor mir die Treppe hinauf. Guter Hintern.
     
    Das Zimmer war klein, roch gut und war sauber. Was will man mehr. Ich warf mein Zeug aufs Bett und folgte ihr über den Gang. Dusche, Klo, Abstellkammer, Tür zum Dachgarten. Schön. Die Tür war von innen mit einem starken Stahlriegel verschlossen. Die Fenster des Hauses übrigens auch, worüber ich mich wunderte.
    „Wir hatten einige Jahre viel Ärger mit Drogenbanden aus Los Angeles. Die sind oft hier hoch gekommen, haben frisch geschlachtete Konkurrenten in einem unserer vielen verlassenen Goldbergwerke abgeladen und sind dann, wenn sie schon so weit fahren mussten, noch geschwind auf Raub und Einbruch gegangen. Deshalb die Doppelschlösser, die Riegel und die vergitterten Fenster.“
    „Und die vielen Wohnanhänger?“
    „Da logieren meine Schülerinnen. Die erhalten bei mir eine komplette Ausbildung – wer hier lernt, bekommt überall einen Job als Tänzerin. Ich war die Beste. Von mir können die lernen. Bedauerlich nur, dass momentan kein großes Interesse beim Nachwuchs besteht. Die meisten gehen lieber fürs schnelle Geld nach Vegas oder auf den Strich.“
    Ach ja. Na, so was. Stripperin, was? „Ja, Burlesquetänzerin – nicht wie die Ferkel, die sich heute an einer goldlackierten Stange auf einer billigen Kneipenbühne einen runterholen, sondern Künstlerin. Mein Name in Leuchtbuchstaben, in den feinsten Cabarets der Welt. Ich bin Tänzerin, und das, mein Lieber, ist ein himmelweiter Unterschied zu den nackten Hausfrauen, die sich für einen Fünfer auf die Schöße von Besoffenen setzen und im Takt mit dem Hintern rubbeln.“ Da war sie wieder, diese Stimme. Wenn Miss Misty Bea nicht glücklich war, dann bekamen im weiten Umkreis Gläser einen Riss und Männer Hörschäden.
     
    „Noch was – haben Sie eine Knarre?“ Ich schaute sie lange an. Was tun? Ich wollte mich nicht von meiner Pistole trennen. Aber auch nicht von hier verjagt werden.
    „Habe ich. Aber ich habe noch nie damit geschossen. Ich habe sie nur gekauft, weil ich Angst hatte, keine zu haben. Obwohl ich, ehrlich gesagt, nicht weiß, ob ich abdrücken könnte. Aber ich fühle mich viel sicherer mit so einem Ding.“
    Sie nickte. „Ist gut. Ich wollte nur wissen, ob Sie eine haben. Sonst hätten Sie aus meinem Arsenal etwas Hübsches borgen können.“ Ach so. Na, dann.
     
    Sie zeigte mir noch die Küche, lud mich ein, mich zu bedienen, und bereitete sich allmählich auf ihren Auftritt vor. Für die Harley hatte sie mir einen Abstellplatz im hinteren Teil des Flachdachgebäudes beschrieben. Akademie, nannte sie es. Nicht Tanzschule oder Stripklub. Akademie. Da steppten die angehenden Stripperinnen. Sie hatte mir nicht angeboten, die Show anzuschauen. Also verstaute ich die Maschine, deckte sie mit einer blauen Plastikplane ab und blieb mit Zeitschriften und Fernseher im Zimmer.
     
    Mit der Dunkelheit kam der Verkehr. Autos fuhren auf den Parkplatz gegenüber, wurden mit lautem Türengeknall abgestellt. Die Herren, die sich die Show anguckten, kamen allein oder mit Freunden – manche unterhielten sich laut, von anderen hörte man nur Schritte auf dem Kies der Auffahrt. Gelegentlich knallte eine Anhängertür; die Aluminiumtüren machen ihr eigenes, unverkennbares Geräusch. Die Akademie war nur notdürftig schallgedämpft. Bluesmusik schwebte über der Wüste, Pfiffe gellten, dann war rhythmisches Klatschen zu hören. Showbusiness.
     
    Als ich irgendwann aufwachte und zum Fenster hinausschaute, standen nur noch zwei Autos auf dem Parkplatz. Die Nacht war sternenklar, und zwischen zwei Wohnwagen stand eine ausgesprochen weißhäutige schlanke Frau und rauchte. Sie war splitternackt. Ich schaute ihr eine Weile zu, bis sie ihren Zigarettenstummel in hohem Bogen wegschnipste und langsam zu ihrer Behausung zurückkehrte. Sie machte die Tür auf, gelbes Licht umrahmte sie.

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