Geisel der Leidenschaft
klares, kühles Ale. Aber seltsamerweise legte de Longueville großen Wert auf eine kultivierte Lebensart. Und er wollte seinen kostbarsten Wein - aus dem Laderaum eines englischen Schiffs entwendet, dessen vornehmer Passagier kurz zuvor ein paar Kisten in Bordeaux gekauft hatte - unbedingt mit seinen neuen Gefährten teilen.
»Zunächst nahm ich den Vorschlag nicht ernst«, erwiderte er. »Wir segelten in den Hafen, natürlich unter falscher Flagge. An diesem elenden Ankerplatz treiben sich nur Diebe und Halsabschneider herum, und König Edward würde das Höllenloch sicher vernichten, fände er neben seinen ständigen Kriegen in Schottland und anderswo Zeit dazu. So, wie die Dinge liegen, verweigern ihm seine Freiherren diesen Dienst, und er muss im Stillen zürnen und seine Worte sorgsam wählen, sonst würde er in seinem eigenen Land ein Blutbad anrichten. Aber was rede ich darüber? Hier sind wir alle der Meinung, dass der englische König ein Schwein ist.« Triumphierend schnalzte er mit der Zunge. »Manche Leute wissen, dass ich mich in diesen Hafen und in die Nähe mörderischer Feinde wage, wenn ich Trinkwasser brauche. Aber sie wissen auch, wie gut meine Männer mit ihren Messern umgehen können und wie großzügig ich alle belohne, die bei meiner Ankunft in die andere Richtung schauen. In einer Taverne traf ich eine Hure, die ich gut kenne. Als ich mein Ale trank, machte sie mich mit einem Säufer bekannt. Der Mann legte eine Börse vor mir auf den Tisch und erklärte, am nächsten Tag würde ein englisches Schiff auslaufen, selbstverständlich aus einem seriöseren Hafen. An Bord würde sich Lady Eleanor befinden, die Countess of Clarin, ein sehr wertvolles Mädchen. Falls man sie entführte, könnte man eine Menge Lösegeld verlangen - und noch viel mehr einheimsen, wenn sie einfach verschwinden würde. Ich dachte mir nicht viel dabei. Aber als der Kerl davongetorkelt war, öffnete ich die Börse, die eine beträchtliche Summe enthielt. Vermutlich eine Anzahlung ...«
»Sollte die Lady ermordet werden?« Die Stirn gerunzelt, warf Brendan einen Blick auf Wallace.
»So drückte sich der Mann nicht aus«, entgegnete de Longueville. »Er sagte nur, sie müsse >verschwinden<. Und Frauen können auf verschiedene Arten verschwinden, Monsieur.«
»Allerdings.«
»Im Süden, weit entfernt von unseren christlichen Ländern, suchen die Sklavenhändler solche Schätze.«
Brendan lehnte sich zurück und überlegte, warum ihn das Schicksal der Geisel so brennend interessierte. »Hättet Ihr die Lady verkauft?«
»Schweren Herzens«, gestand der Franzose und zuckte die Achseln. »Als ich mich nach der Frau erkundigte, erfuhr ich, dass sie tatsächlich eine Countess ist -auf dem Weg nach Paris zu Comte Alain de Lacville, den sie heiraten soll. Besonders reich ist die Lady nicht, weil der Krieg ihre Ländereien verwüstet hat. Die Heirat wurde von einem Vetter arrangiert, der ihr Erbe verwaltet. Ehrlich gesagt, ich fand den Auftrag, die Lady aus dem Weg zu räumen, ziemlich seltsam - obwohl ihr Besitz nach ihrem Tod an diesen Vetter fallen würde. Schloss Clarin und das Dorf müssen dringend instand gesetzt werden, und die Familie braucht das Vermögen des Comte, um ihre Zukunft zu sichern.«
»Sehr merkwürdig«, murmelte Wallace und schaute Brendan an. »Die Engländer verkaufen einander nach Lust und Laune. Überall wird manipuliert, intrigiert und spioniert, während wir nur ein einziges Ziel verfolgen. Und das liegt in weiter Ferne, weil auch die Schotten ihre Landsleute bekämpfen.«
In Williams Stimme schwang ein bitterer Unterton mit, der Brendan verwirrte. Nicht einmal, wenn Wallace siegte, akzeptierten ihn die Freiherren, und bei einer Niederlage schon gar nicht. Trotzdem hatte er stets eine bessere Zukunft seines Landes erhofft. Zumindest bisher. Nun wirkt er müde und deprimiert.
»Wenigstens seid Ihr keine Ungeheuer«, seufzte der Franzose. »Freut mich, dass wir Frieden geschlossen haben. Ich glaube, ich werde mit Euch nach Schottland zurücksegeln.«
»Wirklich?«, fragte Brendan, amüsiert über die edlen Gefühle des Piraten.
»Ich will mein Schwert für höhere Werte schwingen -und für ein bisschen Land, sollten die Schotten jemals siegen.« Grinsend wandte er sich an Wallace. »Wie gern würde ich mir einen Platz auf dieser Welt verdienen, um ein besseres Leben zu führen, eine Familie zu gründen, eine Frau zu lieben ... Aber diese ehrbaren Träume hebe ich mir für später auf. Die Lady
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