Geister der Vergangenheit
behaupten können?«
Sie schwieg einen Moment verblüfft. Im nächsten Augenblick schüttelte sie den Kopf. »Was halten Sie von mir, Inspektor? Ich weiß, dass es Typen gibt, die sich auf Friedhöfen sehr wohl fühlen. Schwarze Messen und so. Aber dazu gehöre ich nicht. Das kann ich beschwören. Ich führe ein normales Leben, und Skelette bekomme ich höchstens an Halloween zu Gesicht. Nein, auf dieser Schiene können Sie mich nicht packen.«
»Pardon, aber darum geht es mir nicht. Ich will Sie nicht packen, ich suche nur nach einem Motiv. Das gehört zu meiner Aufgabe. Nichts geschieht ohne Grund auf dieser Welt, auch wenn es manchmal den Anschein hat.«
»Aber so kommen wir nicht weiter.«
»Stimmt.«
Fiona hob hilflos die Schultern. »Und was kann man dagegen tun?«
Darüber hatte sich Suko auch schon Gedanken gemacht. »Wir könnten Ihnen jemand an die Seite stellen, der Sie bewacht.«
»Ach, der müsste dann in meiner Wohnung bleiben?«
»So ähnlich.«
Die Frau schloss die Augen. »Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Ich bin auf Fremde nicht eingestellt.«
»Das kann ich mir vorstellen. Vielleicht ist es möglich, dass ich diesen Job übernehme?«
»Nein, ich...«, Fiona überlegte. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll?«
»Es ist ja keine beschlossene Sache, sondern nur eine Möglichkeit. Aber ich bleibe dabei, dass es einen Grund geben muss, dass dieses Skelett eben Sie ausgesucht hat.«
»Das wundert mich auch, Inspektor. Und es ist auch kein Scherz, sage ich Ihnen. Scherze sehen anders aus.«
»Da kann ich nicht widersprechen.«
Sie lachte plötzlich, obwohl es keinen triftigen Grund dafür gab. »Wissen Sie, Inspektor, ich bin ja schon heilfroh, dass Sie mir glauben und mich nicht rausgeschmissen haben, weil man Ihnen so einen Unsinn erzählte.«
»Ist das für Sie denn Unsinn?«
»Nein, das ist es nicht. Unsinn ist etwas anderes. Ich habe es leider erlebt.«
»Und was werden Sie jetzt tun?«
»Darüber habe ich mir bislang keine Gedanken gemacht, wenn ich ehrlich sein soll. Aber jetzt weiß ich es. Ich denke, dass ich wieder in meine Wohnung zurückgehe und hoffe, dass ich nicht von einem lebenden Skelett erwartet werde. Etwas anderes bleibt mir wohl nicht übrig. Oder haben Sie eine bessere Idee?«
»Im Moment leider nicht.« Suko streckte Fiona die Hand entgegen. »Sollten Sie eine Visitenkarte haben, geben Sie sie mir bitte, damit ich weiß, wo ich sie finden kann. Es sei dem, wir gehen zu zweit in ihre Wohnung zurück.«
»Sie wollen mich also immer noch beschützen?«
»Ja, sehen Sie es ruhig so. Es ist zudem die einzige Möglichkeit, nahe genug an Ihren Verfolger zu kommen.«
»Ja, da haben Sie wohl recht.« Sie hob die Schultern. »Was ich jetzt sage, ist kein Evangelium, aber ich denke nicht, dass ich am Tage angegriffen werde.«
»Sind Sie sicher?«
»Kaum.«
»War es schon hell, als Sie erwachten und neben sich über den Kopf strichen?«, fragte Suko.
»Ja, ich hatte verschlafen.«
»Es war also hell.«
»Ach, ich weiß, was Sie meinen, Inspektor. Ich finde Ihr Bemühen auch super, aber ich denke, dass ich meine Einkäufe erledige und dann wieder nach Hause gehe.«
»Bitte, Mrs. Rush, Sie sind erwachsen. Ihnen obliegt die Entscheidung. Ich kann Ihnen nur einen Rat erteilen.«
»Darf ich Sie anrufen?«
»Klar.«
Fiona Rush stand auf. »Dann werde ich Sie jetzt verlassen, und ich will Ihnen ehrlich sagen, dass es mir innerlich besser geht. Die Angst ist nicht mehr so groß.«
Auch Suko hatte sich erhoben. Als Kavalier half er seiner Besucherin in den Mantel und fragte dabei: »Wollen Sie es sich nicht noch mal durch den Kopf gehen lassen?«
»Ja, schon«, gab sie zögernd zu. »Aber ich habe mich entschieden.« Sie lächelte Suko an. »Nehmen Sie sich für den Abend mal nichts vor.«
»Das werde ich.«
Fiona Rush ging auf die Tür zum Vorzimmer zu. Sie war nicht geschlossen und nur angelehnt.
Die Frau zog sie auf.
Sie wollte gehen, das sah Suko, als er die Visitenkarte einsteckte, die Fiona ihm noch überreicht hatte, aber die Frau ging nicht. Wie angewurzelt blieb sie auf der Schwelle stehen. Die Tür hatte sie halb aufgezogen und hielt sie an der Klinke fest.
»Was haben Sie?«
Fiona sagte nichts. Aber sie sackte leicht in die Knie, dann riss sie den Mund auf und fing an zu schreien.
Suko war blitzschnell bei ihr. Er zerrte die Tür noch weiter auf, um einen freien Blick zu haben.
Was er sah, war kaum zu glauben.
Das Büro war nicht mehr leer.
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