Geister der Vergangenheit
Neugierde.
Es war eine schwierige Entscheidung. Und immer, wenn er sich damit beschäftigen musste, dachte er an seine Hilfe. Der Künstler hätte sich selbst nicht als süchtig bezeichnen, doch hier und da ein wenig Kokain, das möbelte ihn auf.
Seinen Jaguar stellte er an der rechten Seite des Hauses ab. Das Grundstück um das Haus herum gehörte ihm auch. Da wuchs kein Baum und kein Strauch. Atvill zog Rasen vor. Jetzt hatte er die Novemberfarbe bekommen, und der Wind hatte zudem auch jede Menge Laub dorthin geweht, was der Künstler hasste. Aber er tat nichts dagegen. Manchmal konnte er ein großer Fatalist sein.
Über graue Betonplatten näherte er sich dem Eingang. Eine große schwere Tür, die einen grauen Eisenbeschlag aufwies.
Die Tür schloss er konventionell auf. Sie ließ sich leicht nach innen drücken, und so gelangte er in die Halle, die zugleich sein Arbeitsbereich war. Das hatte mit einem Atelier nichts mehr zu tun. Jeder Fremde bekam große Augen und wurde von einem Anblick erschlagen, mit dem er nicht gerechnet hatte.
Er sah sich mehrmals selbst.
Das lag an den aufgestellten Spiegeln, die einen fast geschlossenen Kreis bildeten. Bruce Atvill liebte die Spiegel. Er wollte sich – dem Genie – bei der Arbeit zuschauen. Genau das war es und nichts anderes. Sehen, wie er malte, wie er mit den Farben umging. Er wollte sich beobachten und daraus neue Kraft schöpfen.
Hin und wieder brachte er ein weibliches Wesen mit. Besonders hatten es ihm die ach so cool wirkenden Pressereferentinnen der Ausstellungen angetan, die sich geehrt fühlten, wenn sie eingeladen wurden und dann einen leichten Schock bekamen, wenn sie das Haus betraten.
Und später, wenn sie ihm zu Willen waren, dann machte es sie noch heißer, sich im Spiegel dabei beobachten zu können. Da machten sie dann alles mit, und er hatte oft mehrere Frauen mit in seine Künstlerwelt genommen. Wer hier eintrat, der musste sich der normalen Welt entrückt fühlen, und genau darauf legte der Maler wert.
Seinen Hut ließ er auf. Er hasste es, das graue Haar zu sehen, das aber zu seinem verlebt wirkenden Gesicht passte.
Die Tür fiel hinter ihm zu. Der Maler näherte sich mit gleitenden Schritten dem Durchgang zwischen den Spiegeln. Er sah sich selbst. Egal wo er hinschaute, er konnte sich nicht entkommen. Es waren Standspiegel, aber die besaßen auch Rollen und ließen sich so auf sehr leichte Art und Weise transportieren.
Den fast geschlossenen Kreis wollte Atvill nicht zerstören. Außerdem besaß er noch einen Mittelpunkt. Dort stand ein langer und sehr massiger Holztisch, an dem bestimmt zwölf Personen zum Essen hätten sitzen können. Daran dachte der Künstler nie. Für ihn war der Tisch so etwas wie eine Arbeitsplatte, auf der viele seiner Bilder entstanden waren und noch entstehen würden.
Ein Drittel des Tisches war deshalb auch mit Farbtuben und Töpfen bedeckt. Aus Letzteren schauten Pinsel hervor, und auch Schalen mit Wasser waren zu sehen.
Nur keine Leinwand mehr. Das letzte Bild hatte er abgeschlossen. Wann er mit einem neuen beginnen würde, wusste er nicht. Im Moment war er mit seinen Gedanken woanders. Es war ihm unmöglich, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Zu stark war er durch seine eigenen Gedanken abgelenkt, denn der Abend wollte ihm nicht aus dem Sinn, und das hing mit der Einladung zusammen.
Er schaute sich um.
Es gab nur ihn.
Je schneller er sich um seine eigene Achse drehte, umso rascher huschte seine Gestalt auch über die Spiegelflächen hinweg. Das war wie bei einer uralten Camera obscura aus der Steinzeit, durch die man die ersten beweglichen Bilder sah.
Er drehte sich nicht nur, er schritt auch. Ja, es war wie ein Auftritt auf einer Bühne. Er spielte das Stück, aber er war auch der einzige Zuschauer.
Manchmal schaute er gegen die Decke. In der Mitte war ein Viereck ausgespart worden. Dickes Glas sorgte für einen senkrechten Lichteinfall. Der Maler hatte beim Entwurf des Hauses zuerst an eine Kuppel gedacht, diesen Gedanken aber verworfen, und so hatte er sich für ein flaches Glasdach entschieden.
Viel Hoffnung gab ihm der Blick in die Höhe auch nicht. Der Ausschnitt sah dunkel aus. Und das lag einzig und allein am trüben Wetter, mit dem der November seinem Ruf alle Ehre machte.
Er blieb für einen Moment neben einem Holzstuhl stehen. Sein Sitzplatz, wenn er nicht im Stehen arbeiten konnte oder wollte. Der Tisch war zum größten Teil leer. Auf die Farbmischungen achtete er nicht. Er
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