Geister der Vergangenheit
hatte seine Hände jedoch auf die Tischplatte gestemmt. So war es ihm möglich, nicht zu stürzen. Mit lauter Stimme brüllte er die Spiegel an. »Wer bist du, verflucht? Was tust du hier? Warum lässt du mich nicht in Ruhe?«
Der Ritter gab ihm keine Antwort. Es war auch der Moment gekommen, in dem sich der Maler in seinem eigenen Haus nicht mehr sicher fühlte. Es war so groß gebaut worden, doch nun dachte er mehr an eine Gefängniszelle, aus der er so leicht nicht entkommen würde.
Er schwankte noch stärker. Zwischendurch lachte er auf. »Oder willst du mein Freund werden? Meine Muse? Soll ich dich malen?« Beide Arme streckte er den Spiegeln entgegen. »Aber das habe ich schon, verdammt! Ich habe dich gemalt. Ja, ich habe es getan, verflucht noch mal. Ich habe dich gemalt. Ich kenne dich genau. Du bist...« Er brach ab und fing an zu lachen. Das Kokain wirkte noch immer. Er fühlte sich leicht, und seine Angst zog sich zurück. »Heh, kannst du nicht antworten?«
Der Ritter tat nichts. Er bewegte sich nicht einmal, und Atvill sah ihn nur in den Spiegeln, aber nicht dort, wo er wirklich stand. Der Künstler spürte, wie er anfing, ihn zu hassen. Er wollte ihn nicht mehr sehen. Er wollte ihn zerstören.
Von einer Sekunde zu anderen drehte er durch. Irgendetwas war bei ihm gerissen. Er schleuderte seinen dunklen Hut vom Kopf. Das lange graue Haar lag jetzt frei, aber auch die Vorderseite seines Kopfes, wo kein Haar mehr wuchs.
Er sprang auf den Tisch. Volle Farbtiegel standen griffbereit in seiner Nähe.
Er packte den ersten Becher. Auf dem Tisch stehend schleuderte er das Gefäß im einen der Spiegel, der in tausend Stücke zerbrach!
Der Maler lachte und schrie zugleich. Es war ein wahnsinniger Triumph, den er empfand. Er freute sich. Er hob den zweiten Tiegel an und drosch ihn in den nächsten Spiegel.
Dann sprang er an der anderen Seite vom Tisch. Er blieb jetzt dicht vor seinen Spiegeln stehen und glotzte gegen die verdammte Fratze des Ritters.
Dann bückte er sich.
Unter dem Tisch lag einiges an Zeug herum. Leinwände, die er nicht mehr brauchte. Er hatte sie bekritzelt. Es waren Versuche, um ein Bild zu malen. Es hatte ihm nicht gefallen. Weg damit!
Aber nicht mit der Eisenstange. Hin und wieder brauchte er sie, um seine etwas wacklige Staffelei abzustützen, die er auch besaß und hin und wieder sogar benutzte.
Diesmal würde sie einen anderen Zweck erfüllen. Er umklammerte sie mit beiden Händen, um möglichst viel Wucht in seinen Schlag legen zu können.
Er konnte die Spiegel nicht mehr sehen. Und auch nicht den immer gleichen Inhalt.
»Jaaaa!«
Nach diesem schon tierischen Schrei drosch er zu. Er ging die Reihe der Spiegel entlang. Sein Gesichtsausdruck zeigte alles von seiner Wut und seinem Zorn.
»Da! Da! Da!« Das Klirren des Glases war Musik in seinen Ohren. Er war zu einem Berserker geworden. Er hämmerte in seinem Hass alles kurz und klein.
»Ich werde dir zeigen, wer hier herrscht, du verdammter Hundesohn. Du hast hier nichts zu suchen, verdammt! Gar nichts! Gar nichts!«
Und wieder schlug er zu. Er blieb immer nur für einen winzigen Moment vor dem Spiegel stehen und lachte schrill auf, wenn die Fläche in tausend Scherben zusammen fiel.
Er sah nichts. Er schlug. Es war ihm egal, wenn kleine Scherbenstücke auch in seine Richtung flogen. Er wollte nur endlich freie Bahn haben und diesen verdammten Ritter nicht mehr sehen.
Er pfiff auf sein Ego. Auf seine Extravertiertheit. Alles musste zerhämmert werden. Weg aus dem alten Leben und hinein in ein neues. Nur das zählte.
Er bekam immer mehr Routine bei seinen Schlägen und wunderte sich fast selbst, als er vor dem letzten Spiegel stand. Alles war einfach zu schnell gegangen.
Er glotzte den Ritter an. Er spürte, dass ein wahnsinniger Hass in ihm hochstieg.
»Jetzt!«, brüllte er das Siegelbild an. »Jetzt mache ich dich fertig. Der letzte Schlag noch, dann...«
Er sah nichts mehr. Urplötzlich war die Gestalt aus der Spiegelfläche verschwunden.
Bruce Atvill sah dies, doch er begriff es nicht. Sein Gehirn war umnebelt. Vor seinen Lippen glänzte der Speichel, und er ließ die Eisenstange wieder sinken, die er bereits in Schulterhöhe angehoben hatte. Er sah sich selbst im Spiegel, und sein Bild wollte er nicht zerstören. Mit der Stange in den Händen drehte er sich um. Erst beim Hinschauen kam ihm zu Bewusstsein, welch ein Chaos seine Aktion hinterlassen hatte. Es gab wohl keinen Ort auf dem Boden, wo keine
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