Geisterbahn
hatte er eigentlich erst am Samstag abend dorthin zurückkehren wollen, um endgültig von zu Hause auszureißen. Aber am Montag abend überlegte er es sich anders.
Eigentlich überlegte seine Mutter es sich für ihn anders.
Er saß im Wohnzimmer, sah fern und trank eine Pepsi, als er unabsichtlich das Glas umkippte. Die Limonade spritzte auf seinen Stuhl und tropfte dann auf den Teppich.
Er holte eine Haushaltsrolle aus der Küche und wischte den Schlamassel so gut auf, wie er konnte, und war überzeugt, daß weder auf dem Teppich noch auf dem Polster des Stuhls Flecken zurückbleiben würden.
Mama jedoch bekam einen Wutanfall, als sie hereintrat und ihn mit einer Handvoll pepsigetränkter Papiertücher sah. Obwohl es erst halb acht war, war sie schon ziemlich betrunken. Sie packte und schüttelte ihn und sagte ihm, er benehme sich wie ein Ferkel, und dann schickte sie ihn zwei Stunden früher als gewöhnlich zu Bett.
Er fühlte sich ganz elend. Er konnte sich nicht mal von Amy trösten lassen, denn die war unterwegs, hatte sich wieder mit Buzz verabredet. Joey wußte nicht, wo sie und Buzz waren, und selbst wenn er es gewußt hätte, hätte er wohl kaum zu ihr laufen und jammern können, daß Mama ihn geschüttelt und ihm fürchterliche Angst eingejagt hatte.
Auf seinem Zimmer warf Joey sich aufs Bett, weinte, untröstlich und erzürnt über die Ungerechtigkeit seiner Mutter. Plötzlich fielen ihm die beiden rosa Freikarten ein, die der Schausteller ihm am Vormittag geschenkt hatte.
Zwei Freikarten. Er würde eine benutzen, um am Samstag abend auf das Kirmesgelände zu kommen und den Schaustellern zu sagen, er sei ein Waisenkind und könne nirgendwohin, und ob sie ihn nicht mitnehmen wollten. Aber damit hatte er eine Freikarte übrig, und wenn er die nicht vor Samstag benutzte, würde sie nur verfallen.
Er setzte sich auf die Bettkante und dachte ein paar Minuten darüber nach, bis in ihm der Entschluß gereift war, daß er sich zum Rummelplatz schleichen, dort einen schönen Abend erleben und wieder ins Haus zurückschleichen konnte, ohne daß seine Mutter etwas von seinem Vergnügen ahnte. Er stand auf und zog die Vorhänge zu, so daß kaum noch etwas vom verbleichenden Licht des Sommerabends ins Zimmer fiel. Er holte eine Decke und ein Kissen aus seinem Schrank und formte daraus unter dem Bettlaken eine Puppe. Er schaltete das schwache Nachtlicht aus, trat vom Bett zurück und betrachtete sein Werk kritisch. Trotz der Lichtsplitter, die sich am Rand der Vorhänge zeigten, könnte die Puppe wohl Mamas Inspektion standhalten. Normalerweise trat sie frühestens um elf Uhr in sein Zimmer, und wenn sie auch an diesem Abend so lange wartete, bis nach Einbruch der Dunkelheit, würde der Trick bestimmt funktionieren; sie würde denken, ihr Sohn liege im Bett und schlafe.
Der schwierigere Teil bestand darin, das Haus zu verlassen, ohne ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Er nahm ein paar Dollarscheine aus seiner Spardose, in der insgesamt zweiunddreißig Dollar steckten, und stopfte das Geld in eine Tasche seiner Jeans. Er steckte auch eine der Freikarten ein und schob die andere unter die gläserne Spardose auf seinem Schreibtisch. Vorsichtig öffnete er die Tür seines Zimmers, schaute nach links und rechts in den Korridor, trat hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Er schlich zur Treppe und machte sich an den langen, gefährlichen Abstieg zum Erdgeschoß.
Amy, Liz, Buzz und Richie blieben vor einer Bude stehen, die einen Magier mit dem Namen Der großartige Marco anpries. Die Werbung bestand aus einem großen Poster, das eine schreiende Frau zeigte, die von einer Guillotine geköpft wurde, hinter der ein grinsender Zauberer stand, der die Hand auf den Hebel des Scharfrichters gelegt hatte.
»Ich liebe Zauberer«, sagte Amy.
»Ich liebe jeden, den ich in die Hände bekomme«, sagte Liz kichernd.
»Mein Onkel Arnold war mal Bühnenmagier«, sagte Richie und schob seine Brille den Nasenrücken hinauf, um sich Marcos reißerisches Poster genauer anzusehen.
»Hat er Dinge verschwinden lassen und so weiter?« fragte Buzz.
»Er war so schlecht, daß er das Publikum verschwinden ließ«, sagte Liz.
Amy war ganz schwindlig von dem versetzten Pot, das sie geraucht hatte, und Liz' kleiner Scherz kam ihr urkomisch vor. Sie lachte hysterisch, und ihr Gelächter steckte die anderen an.
»Nein, echt, wirklich«, sagte Buzz, als sie sich endlich wieder beruhigt hatten. »Hat dein Onkel Arnold auf diese Weise sein Geld
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