Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterblues

Geisterblues

Titel: Geisterblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie MacAlister
Vom Netzwerk:
später faltete ich das nachtblaue Samttuch zusammen, das ich benutzte, um den Leuten aus der Hand zu lesen (»Erschaffe dir deinen eigenen Raum«, sagte meine Mutter immer), zählte meine Einnahmen und steckte sie in eine Geldtasche. Die Tasche verstaute ich in einer verschließbaren Metallkassette, die ich in Berlin gekauft hatte.
    Soren unterzog Bruno einem letzten Check, um sicherzustellen, dass das Geschirr des Pferdes sauber war. Ich winkte ihm zu, als ich zu meinem Wohnwagen lief. »Hast du Tibolt gesehen?«, fragte ich und blieb stehen.
    Er zeigte an mir vorbei. »Sie sind gerade mit ihrer Darbietung fertig.«
    »Danke!« Nach einem kurzen Zwischenstopp in unserem Wohnwagen, wo ich die Kassette an ihrem üblichen Platz deponierte, Davide fütterte und ihn belehrte, dass er nicht nach draußen konnte, solange der Markt geöffnet hatte, begab ich mich auf die Suche nach Tibolt.
    Die Artisten vom Zirkus der Verdammten lebten nicht in Wohnwagen wie wir vom Gothic-Markt. Tibolt besaß ein schnittiges schwarzes Wohnmobil, auf dessen Dach eine Satellitenschüssel prangte. Ramon und Mikaela hatten das gleiche Modell in Silber, während die drei Männer, die hinter den Kulissen arbeiteten – ich wusste nicht genau, wie sie hießen, da sie kaum Englisch sprachen –, sich ein drittes Wohnmobil teilten, das allerdings wesentlich ramponierter aussah als die beiden anderen. Ich klopfte an Tibolts Tür und war leicht verdutzt, als Mikaela öffnete.
    »Hallo, Fran. Willst du zu Tib?«
    »Ja, falls er nicht zu beschäftigt ist.«
    »Komm rein. Tib? Fran ist hier und fragt nach dir.«
    Als ich in das Wohnmobil stieg, beschloss ich, dass meine Mutter und ich auch so eins brauchten, falls wir beim Gothic-Markt blieben. Das Interieur war ganz in Schwarz und Rot gehalten, mit goldenen Zierleisten an den schwarzen Wänden. Von der Decke hing eine Pendelleuchte, darunter bildeten ein Sofa samt Tisch, zwei Lehnsessel und ein Fernseher den Wohnbereich. Tibolt lümmelte ausgestreckt auf der Couch und nippte an einem Drink, während Ramon am Tisch saß und eine Europakarte studierte.
    »Hallo, Leute.« In diesem opulenten Ambiente kam ich mir ziemlich deplatziert vor. »Tibolt, ich bring dir deinen Anhänger zurück. Außerdem wollte ich dich fragen, ob du so gut sein könntest, ihn zu benutzen, um die Wikinger wieder loszuwerden. Ich mag sie ja, aber Absinthe war heute Morgen stinksauer auf sie, und in der Stadt gab es auch ordentlich Ärger, darum denke ich, es wäre das Beste, sie nach Walhall zu befördern.«
    Tibolt prostete mir mit seinem Drink zu. »Der Valknut gehört jetzt dir. Das wollte ich dir schon früher sagen, habe es aber vergessen.«
    »Mir? Das denke ich nicht.« Ich zog mir die Kette über den Kopf. »Er hat mir schon genug Ärger bereitet.«
    »Dennoch ist das
Vikingahärta
für mich jetzt tot. Es hat mich für dich verlassen.«
    »Tot?« Ich betrachtete das Amulett in meiner Hand. Es sirrte leicht, als wäre es elektrisch aufgeladen. »Es fühlt sich nicht tot an. Es vibriert irgendwie.«
    »Ja? Lass mich mal sehen.« Er streckte mir den Arm entgegen. Ich ließ den Valknut in seine Handfläche fallen. Tibolt schloss kurz die Augen, bevor er sie wieder öffnete, den Kopf schüttelte und mir den Anhänger hinhielt. »Nein, es ist, wie ich dachte – das
Vikingahärta
birgt keine Macht mehr für mich. Es hat ausgedient, darum kannst du es haben.«
    »Ich will es aber nicht!«, protestierte ich, als er sich aufsetzte und es mir wieder in die Hand drückte. »Das Ding sieht echt antik und wertvoll aus. Meine Mutter flippt aus, wenn sie herausfindet, dass du es mir geschenkt hast.«
    Er setzte ein schiefes kleines Lächeln auf. »Deine Mutter muss begreifen, dass wir diesbezüglich keine Wahl haben. Das
Vikingahärta
kann nicht einfach von irgendjemandem benutzt werden – der, der es trägt, muss sich wohlwollend seinen Fähigkeiten öffnen. Es hat dich auserkoren, um durch dich zu wirken, darum bist du, wie schon gesagt, die Einzige, die die Geister nach Walhall schicken kann. Ich kann gar nichts tun.«
    »Aber ich habe nicht den blassesten Schimmer, wie ich das anstellen soll«, sagte ich frustriert. Ohne Hilfe würde ich die Wikinger nie loswerden!
    »Tib, es muss etwas geben, das du tun kannst«, wandte Mikaela ein, als er aufstand und sich reckte. Ich kniff die Augen zusammen, als mir erneut auffiel, dass Tibolts Anziehungskraft auf mich deutlich nachgelassen zu haben schien. Und das ziemlich genau, seit er mir

Weitere Kostenlose Bücher