Geisterblumen
den Highway, fuhren darunter hindurch und gelangten auf eine kleinere Nebenstraße, die mitten in die Berge führte. Bald endete der Asphalt, und wir holperten auf einer Art Feldweg dahin. Ich begriff, dass Grant seinen Ford Bronco nicht aus Eitelkeit fuhr, sondern weil er ihn brauchte.
Rechts und links tupfte Wüstengestrüpp den Horizont, die Hügel vor uns lagen flach und rötlich braun in der Mittagssonne. Auf einer Anhöhe neben der Straße grasten Kühe.
»Deine?«
»Sie gehören den Kims, Roscoes Eltern. Es ist ihre Ranch; mein Bruder ist der Verwalter.«
Er sah mich an und wirkte, als wollte er etwas sagen, doch stattdessen legte er seine Hand auf meine. Ich lächelte. Er lächelte zurück, ohne die Augen von der Straße zu nehmen, und so legten wir die restliche Strecke zurück.
Wir fuhren über eine Anhöhe zwischen zwei Hügeln, und dann breitete sich ein Tal wie eine goldene Schale unter uns aus. Mitten drin stand ein großer Wohnwagen, Häuser gab es keine.
»Home sweet home.«
Ich kam mir vor, als wären er und ich eine Neuauflage von Adam und Eva, allein in einem entlegenen Paradies. Als wir uns dem Wohnwagen näherten, bemerkte ich daneben eine Koppel. »Habt ihr Pferde?«
»Eine Stute. Ein Projekt meines Bruders, er versucht, sie einzureiten. Ist allerdings ein bisschen wild.«
Als wir näher kamen, verstand ich, was er meinte. Das gewaltige Tier beäugte uns, schnaubte, stieg auf die Hinterbeine und stieß geschlagene fünfzehn Sekunden eine Art Schrei aus. Als es wieder auf allen vieren landete, bebte die Erde, und es stand da, funkelte uns an und scharrte mit einem Huf.
Grant machte große Augen. »Das hat sie noch nie gemacht. Egal, nachdem du das Begrüßungskomitee gesehen hast, folgt jetzt der Rest der Besichtigung.«
Er deutete auf eine verblichene Sitzgarnitur neben dem Wohnwagen. Auf dem Tisch stand ein altes Transistorradio. »Der Medienraum.« Dann deutete er auf eine frisch ausgehobene Mulde. »Das Schlammbad.« Er wirbelte herum und zeigte auf eine Hundehütte, von der die Farbe blätterte. »Das Gästehaus.« Nun war er wieder ganz nah bei mir. »Ich weiß, dass du einen gewissen Luxus gewöhnt bist …«
»Bist du deshalb so nervös?«
Er sah mich nicht an, sondern nickte nur, führte mich die Stufen zur Tür des Wohnwagens hinauf, hielt sie auf und ließ sie klappernd hinter mir zufallen. Während die Jalousien vor den schmalen Fenstern kleine Streifen Sonnenlicht auf sein Gesicht malten, stand er mit hängenden Armen da. Er hatte die Augen auf die Spitzen seiner dunkelblauen Turnschuhe gerichtet. »Ich mag dich wirklich gern. Aber du bist Aurora Silverton, und ich bin … ich.«
»Du bist toll.«
»Nein, du.« Er sah niedergeschlagen aus und wurde jetzt noch ernster. »Deshalb bedauere ich wirklich, was ich dir gleich antun werde.«
Mein Mund wurde trocken, ich spürte den Pulsschlag an der Seite meines Halses. »Was?«
»Das hier.« Er hielt mir eine Videokassette mit der Aufschrift
Tocco Luces. Ein Film von Grant Villa
hin.
Ich lachte.
»Aber zuerst was anderes, was möchtest du trinken?« Er öffnete den Kühlschrank. »Ich habe Limo und … Limo.«
»Das wäre toll.«
Während er uns zwei Gläser einschenkte, schaute ich mir ein Regal an, das mit Büchern und winzigen, aus Korken geschnitzten Tieren vollgestopft war.
»Das Werk meines Bruders. Er ist hier der Künstler.«
Wir stießen mit der Limonade an und machten Smalltalk, doch ich merkte, wie nervös er war, als er mir etwas zeigen wollte und dabei sein Glas über mein T-Shirt kippte.
Er geriet in Panik, als hätte er etwas Unverzeihliches getan. Um ihm zu zeigen, dass alles in Ordnung war, sagte ich: »Wenn ich mich ausziehen soll, hättest du auch einfach fragen können.«
Er lachte und entspannte sich ein bisschen. »Es tut mir so leid. Mein Kleiderschrank ist da drüben. Such dir was aus.«
Er drehte sich um und trug die Gläser zum Spülbecken, während ich die Schranktür öffnete. Darin befanden sich zwei Hemden, drei Hosen, ein Trenchcoat, bei dem der Gürtel und ein Knopf fehlten, und ein paar grüne High Heels in Größe 40 .
Jemand, der an dem Abend dort war. Jemand, der dir nahesteht.
Grant? Aber er war gegangen. Er war zeitig gegangen. Alle hatten es gesehen.
Was nicht ausschloss, dass er zurückgekommen war
, dachte ich.
Auf der Rückseite des Trenchcoats war ein langer, roter Schmutzstreifen zu sehen. An den Absätzen und Fersen der grünen Schuhe ebenfalls.
Das habe ich
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