Geisterblumen
mich bringen wollte, aber ich konnte nicht sprechen, erhielt jedenfalls keine Antwort. Ich versuchte, die Augen zu öffnen, musste sie aber sofort wieder schließen, weil die Sonne so grell brannte.
Nach wenigen Schritten blieb er stehen. Ich hörte ihn knurren, dann wurde ich niedergelegt. Ich spürte etwas an meinem Rücken, dann waren seine Arme verschwunden. Es war kühler geworden und dämmriger. Ich öffnete die Augen und erkannte, dass ich in der Mulde vor dem Wohnwagen lag, die Grant vorhin scherzhaft als Schlammbad bezeichnet hatte. Er trat beiseite, dann konnte ich über mir einen Spaten erkennen. Erde regnete auf mich nieder.
Er wollte mich lebendig begraben.
Ich versuchte, mich aufzusetzen, doch alles drehte sich. Dann begriff ich, dass er mir irgendwann während meiner Bewusstlosigkeit die Hände gefesselt hatte. Ich wollte um mich treten, doch auch meine Beine waren verschnürt und ließen sich nicht bewegen. » NEIN !« Ich öffnete den Mund, um zu schreien, als die nächste Schaufel Erde auf mich fiel. Ich drehte mein Gesicht zur Seite, als die dritte Ladung Erde auf mich niederprasselte. Ich holte Luft, als die vierte kam und mein Mund sich mit Erde füllte.
Ich kämpfte mit aller Macht gegen den Dreck und die Bewusstlosigkeit, hustete und würgte. Ich schrie seinen Namen, alle möglichen Namen, zerrte an den Seilen und verbrauchte meine letzte Energie, um die Augen offen zu halten. Das Licht über mir begann zu verschwimmen, und dann hatte ich Erde in den Augen, und ein schweres Gewicht senkte sich auf meine Brust und die Beine. Und ich fiel, beschrieb eine Spirale, fiel tiefer, schrie und stürzte hinab.
Ins Nichts.
48. Kapitel
E
in Telefon klingelt. Ich muss rangehen, aber meine Arme sind zu schwer. Die Straße unter mir fühlt sich warm an, während ich auf dem Bauch voran darauf zukrieche. Das Telefon, ich muss …
Ich stoße den Hörer herunter und versuche, mich zu melden, bringe aber kein Wort heraus. Ich beuge mich vor, krümme mich, um mein Ohr an den pendelnden, orangefarbenen Telefonhörer zu halten. »Hallo«, versuche ich wieder zu krächzen.
»Hallo, Ro«, sagt die Stimme, ihre Stimme, Lizas Stimme. »Zeit zum Aufwachen. Du bist jetzt in Sicherheit.«
»Aber die …«, will ich sagen und bekomme eine Ladung Erde in den Mund.
Ich wachte hustend auf.
Der Himmel über mir war von einem blassen Blau. Die Erde um mich herum fühlte sich kalt an. Mir war schwindlig. Meine Arme taten furchtbar weh.
Ich war am Leben.
Ich lauschte angestrengt auf Schritte. Was war passiert? Wo war Grant?
Die Schatten waren jetzt länger, ich schätzte, dass mindestens eine Stunde vergangen war, seit ich das Bewusstsein verloren hatte. Ich setzte mich mühsam auf, wobei ein furchtbarer, greller Schmerz durch meinen Kopf zuckte. Erst jetzt merkte ich, dass jemand meine Handfesseln gelöst hatte. Meine Beine waren noch aneinandergebunden. Ich versuchte, nach ihnen zu greifen, aber meine Finger waren noch taub von den Fesseln. Also benutzte ich meine Arme, um mich auf eine Seite der Mulde hochzuziehen. Dort saß ich dann, ließ die Beine baumeln, holte einen Moment tief Luft und staunte über die Sonne auf meinem Gesicht.
Als ich mich umdrehte, entdeckte ich ihn.
Grant lag auf dem Bauch. Sein Gesicht war zu mir gedreht, die Brille verrutscht, das Auge, das ich sehen konnte, weit offen. Unter seinem Kopf breitete sich eine gewaltige Blutlache auf der trockenen Erde aus.
Ich war mir sicher, dass er tot war, kroch aber vorsichtshalber zu ihm hin. Allmählich bekam ich wieder Gefühl in den Fingern und tastete an seinem Handgelenk nach dem Puls. Er war schwach. Aber er war da.
Ich drehte ihn um. Seine Lippen bewegten sich.
»Halt durch«, sagte ich. »Ich hole Hilfe.«
»Nein, bleib.« Er hielt sich an mir fest. »Es ist …«
Ich würde nicht noch einen Menschen in meinen Armen sterben lassen.
Neben ihm lag ein blutverschmierter Hammer, der die Verletzung erklärte, nicht aber, wer sie ihm zugefügt hatte. Oder ob derjenige noch in der Nähe war.
Ich musste mit Grant von hier weg.
Ich holte mein Handy aus der Tasche und sah, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Kein Empfang. Mit zitternden, ungeschickten Fingern lockerte ich meine Fußfesseln, bis ich sie abstreifen konnte. Dann schwankte ich barfuß zu seinem Auto.
Es war abgeschlossen. »Wo sind deine Schlüssel?« Ich hätte ebenso gut den Wind oder die Luft fragen können.
Ich beäugte den Wohnwagen. Die Autoschlüssel könnten dort
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