Geisterblumen
Die Umkleidekabine ist da hinten.«
Mir war nicht bewusst gewesen, dass Coralee zugehört hatte, aber sie beendete ihr Gespräch und beugte sich zu Bridgette: »Es geht um eine Webserie, nicht um ein Musikvideo, und du hättest die Kabine wirklich schöner herrichten können.« Bevor Bridgette sich von diesem Schlag erholen konnte, wandte sich Coralee an Grant und Huck. »Packt ein, Jungs.« Und an mich gewandt: »Wir sehen uns heute Abend. Ich schicke dir eine SMS mit der Info.«
Bridgette schaute ihr mit undurchdringlicher Miene nach. »Was sollte das heißen? Und warum redest du überhaupt mit ihr? Sie und Aurora waren nicht gerade die besten Freundinnen.«
»Das hat sie auch erwähnt. Hättest du mir natürlich auch vorher sagen können.«
»Du hättest es gar nicht erst erfahren müssen, wenn du nicht auf eigene Faust auf ihrer Party aufgetaucht wärst«, konterte Bridgette. »Dadurch hast du dich unnötig mit all diesen Leuten aus Auroras Vergangenheit in Verbindung gebracht.«
»Wäre es denn nicht ohnehin dazu gekommen?«
»Wenn es nach mir gegangen wäre, nicht.«
Vorhin war ich auf Vorwürfe gefasst gewesen, war jetzt aber überhaupt nicht mehr in der Stimmung dafür. »Wieso magst du sie nicht?«
»Das geht dich nichts an.«
»Ich dachte, darüber wären wir hinaus. Du solltest davon ausgehen, dass mich alles etwas angeht. So wie die Party, die Liza und eure Cousine an dem Abend besucht haben, bevor sie verschwunden ist. Die Party, auf der du und Bain die Letzten wart, die Aurora lebend gesehen haben.«
Bridgettes Blick war wütend. »Wer hat dir das erzählt?«
»Die Polizei.« Ich lächelte herablassend. »Du kannst dir vorstellen, wie interessant ich das gefunden habe.«
Sie drehte den Dreiband-Ring. »Zieh dich an«, sagte sie mit versteinerter Miene. »Wir reden im Auto darüber.«
23. Kapitel
» A lso, die Party«, sagte ich, nachdem wir meine sechs und Bridgettes vier Einkaufstüten in den Kofferraum ihres weißen BMW -Cabrio gequetscht hatten. »Warum hast du mir nicht erzählt, dass du und Bain Aurora vermutlich als Letzte lebend gesehen habt?«
»Hör auf damit«, sagte sie und rückte ihre Sonnenbrille zurecht. Wir fuhren aus dem Parkdeck in den Sonnenschein hinaus. »Erstens, weil das absolut nicht stimmt. Es waren zehn Leute dabei …«
»Neun«, korrigierte ich sie, als ich mich an die Fotos auf der Polizeiwache erinnerte.
»Dann eben neun. Und zweitens, weil du – ich meine Liza und Aurora – die Party allein vor uns allen verlassen haben. Ganz zu schweigen davon, dass Liza kilometerweit entfernt gestorben ist.« Aus irgendeinem Grund hatte ich beschlossen, Bridgette nichts von dem Gedicht zu erzählen, das sich auf der Polizeiwache in meinen Kopf gestohlen hatte, und von dem seltsamen Vorfall in der Umkleidekabine. »Was ist mit Ros geheimem Freund?«
Sie schlingerte nach rechts und rammte beinahe den roten Honda, der neben uns fuhr. »Wovon redest du?«
»Ich meine den mit dem halblangen, braunen Haar und den großen Händen.«
Ihr Gesicht verlor alle Farbe. »Wie hast du das über Aurora und Colin herausgefunden? Die Polizei kann dir das nicht erzählt haben.«
»Nein, das warst du. Gerade eben.« Ich blickte auf. »Die Ampel!«
Sie trat so heftig auf die Bremse, dass der Wagen mit einem Ruck vor dem Fußgängerüberweg zum Stehen kam, und schaute mich an. »Ich mag diese Spielchen nicht.«
»Und ich mag deine nicht. Wenn du mir nicht alles erzählst, muss ich es eben mühsam ausgraben. Wie soll ich deiner Meinung nach eure Cousine spielen, wenn ihr mir solche wesentlichen Dinge wie ihren Freund verschweigt?«
»Ich wusste nicht, dass sie einen Freund hatte. Ich hatte Gerüchte gehört, aber nicht daran geglaubt. Ich tue es noch immer nicht.«
»Es ist aber wahr.« Ich zog den Fotostreifen aus meiner Tasche und hielt ihn ihr hin. »Das wurde eine Woche vor ihrem Verschwinden aufgenommen.« Sie warf einen Blick darauf, hob die Sonnenbrille an und sah es sich noch einmal an. Die Ampel sprang auf Grün. Hinter uns hupte jemand.
Sie zeigte den Stinkefinger, setzte die Brille wieder auf und trat aufs Gas. Wir waren etwa einen Block weit mit fast hundert Stundenkilometern gefahren, als sie auf die Hupe drückte und quer über drei Spuren schoss, geradewegs auf den Parkplatz eines Einkaufszentrums. Sie bremste ganz knapp vor einem Billigladen und schaltete den Motor aus.
Ich ließ den Türgriff los, den ich fest umklammert hatte. Angesichts meiner bisherigen
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