Geisterblumen
Schlimmeres erwartet. »Platten?«
»Schallplatten. Zehntausende, alle in Originalverpackung.« Er hielt inne, als müsste er sich an die Details erinnern. »Es ist drei Uhr morgens, und ich rolle mir gerade einen Joint. Da höre ich ein Geräusch von nebenan. Ich schaue hinunter und sehe Liza, wie sie die Schallplatten ihres Vaters Kiste um Kiste aus der Garage schleppt.«
Ich nickte, und er fuhr fort: »Als sie etwa zehn Kartons im Garten stehen hat, nimmt sie ganz vorsichtig eine Platte heraus, legt sie auf den Boden und zerschlägt sie mit einem Hammer. Das macht sie wieder und wieder, zerschlägt eine Platte nach der anderen. Nicht nur einmal, sie hat sie förmlich pulverisiert.
Bumm, bumm, bumm.«
Er schlug mit der Faust in die Handfläche. »Irgendwann ist es ihr wohl langweilig geworden, denn sie schlug schneller zu und war nicht mehr so sorgfältig.«
Er holte den halben Joint aus der Tasche und zündete ihn wieder an.
»Und jetzt kommt das Seltsame.« Er stieß eine violette Rauchwolke aus. »Oder das Seltsamste. Ich schwöre, sie hat geweint, während sie sie zerschlug. Als täte es ihr leid. Doch als ihr Vater am nächsten Morgen herauskam und die Bescherung sah, war ihr Gesicht völlig ausdruckslos. Sie stand da in einem Meer aus zerbrochenen Schallplatten und sah vollkommen gleichgültig zu, wie er zusammenbrach. Ihre ältere Schwester musste ihn auffangen, sonst wäre er zu Boden gefallen. Dann ließ Liza den Hammer fallen und ging einfach weg. Schluss, aus. Ich glaube nicht, dass sie in dieses Haus zurückgekehrt ist. An dem Abend habe ich euch beide auf der Party gesehen und dann … Abrakadabra.« Trotz der Wärme lief mir ein Schauer über den Rücken.
»Ich … ich hatte keine Ahnung«, stammelte ich.
»Darum war ich auch so überrascht, als wir erfahren haben, was sie getan hatte. Ich meine, sie wirkte so stark. Unbeirrbar. Zeigte keinerlei Reue, als sie den Zusammenbruch ihres Vaters erlebte. Er muss ihr etwas wirklich Furchtbares angetan haben, um sie zu so etwas zu treiben.«
»Das muss er wohl«, murmelte ich.
»Ganz schön hart, was?«
Ich nickte und räusperte mich. »Ich weiß, das ist verrückt, aber kannst du dich erinnern, was ich an dem Abend anhatte?«
»Natürlich, Herzchen. Einen Trenchcoat. Das weiß ich so genau, weil ich dich gefragt habe, ob du ein Rendezvous hättest, und du sagtest, das hättest du jedenfalls geglaubt. Dann aber habe man dir das Herz gebrochen, und du wolltest jetzt eine Abenteurerin werden. Dann habe ich eine geraucht, und jemand sagte, er hätte dich mit Stuart gesehen.«
Mir schwirrte der Kopf vor lauter neuen Informationen. Lizas Streit mit ihrem Vater. Auroras gebrochenes Herz. Immer neue Hinweise, doch keiner fügte sich zum anderen.
Onkel Thom steckte den Kopf durch die Tür. »Abendessen, Leute.«
»Das ist mein Stichwort«, sagte Roscoe. »Ich bin nur gekommen, um dich zu sehen. Ich halte nichts von Dinner-Theater.« Hinter uns erklangen Stimmen, und er warf einen Blick über die Schulter. »Da wir gerade von furchtbaren Schauspielern sprechen …«
34. Kapitel
I ch folgte Roscoes Blick und entdeckte Coralee, die mitsamt ihrer Crew auf uns zukam. Er beugte sich zu mir. »Wir sehen uns morgen beim Tennis.« Dann küsste er mich auf die Wange und verschwand.
»Warte«, rief Coralee und lief ihm nach. Grant blieb neben mir stehen und hielt mir die Kamera hin. »Schau aufs Display, nicht zu mir, falls Coralee uns beobachtet.«
Ich tat, als wäre ich sehr an den Aufnahmen interessiert, auf denen Coralee eine Art Tanz im Schnellvorlauf hinlegte. »Ich würde das gern in Echtzeit sehen.«
»Komisch, ich hätte dich nicht für eine Masochistin gehalten. Wenn Coralee tanzt, ist das nichts für schwache Nerven. Egal, ich muss die ganze Zeit daran denken, wie ich dich geküsst habe. Sieh nicht mich an, sieh aufs Display.«
Ich musste ein Lächeln unterdrücken. »Mir hat es auch gefallen.«
»Mir kam die Idee, dass es nett sein könnte, wenn wir ein paar Stunden miteinander verbringen. Hast du morgen nach dem Tennisturnier Zeit?«
»Ich muss das zuerst mit Bridgette …«
»So filmt man ein Musical«, sagte er ein bisschen zu laut.
Ich sah hoch. Coralee war zu uns getreten. »Zeigst du etwa meinen Holzschuhtanz vom Sonoran-Sunrise-Festival?« Sie verdrehte die Augen, aber ich merkte, dass sie insgeheim stolz darauf war.
»Der war wirklich super«, sagte ich mit einem Seitenblick zu Grant.
»Ich geh mal kurz ins Bad, dann schnappe
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