Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
Vom Netzwerk:
in Dinge, die dich nichts angehen«, fertigte sie ihn ab. Dennoch sah sie ein wenig verängstigt aus und hielt den Rest der Fahrt über schweigend meine Hand.
    Als wir den Golfclub erreichten, schien sie sich wieder völlig unter Kontrolle zu haben. Das Clubhaus war ein niedriges Gebäude aus rotem Stein, das von einem Übungsgrün und einem weitläufigen Golfplatz flankiert wurde, der sich bis zum Rand des Canyons erstreckte. Es war in die Hügel gebaut, unter uns im Tal konnte man die Lichter von Tucson erkennen, dahinter stiegen die felsigen Hänge empor.
    Von außen war das Gebäude modern, von innen hingegen altmodisch, mit einem dunkelgrünen Teppich mit rosa Paisley-Muster und holzgetäfelten Wänden. Althea belegte sofort einen Sessel mit Beschlag, bestellte einen großen Scotch und bedeutete mir, mich hinter sie zu stellen.
    Die Cocktailrunde bot eine wunderbare Gelegenheit, um unaufrichtige Begrüßungen zu studieren. Es gab die einarmige Umarmung, das Rückenklopfen, das zu feste An-sich-drücken, den beidseitigen Wangenkuss, das höfliche Schütteln der Fingerspitzen, das »Du scheinst dich wunderbar einzuleben« und das zurückhaltendere »Deine Familie muss sich so freuen, dich wiederzuhaben, meine Liebe«. Der Staatsanwalt tätschelte mir den Kopf, ein Richter und der Polizeichef nickten mir höflich zu, und der Gouverneur ließ von seiner Sekretärin die wärmsten Grüße übermitteln. Die Leute schienen nicht sicher zu sein, ob sie mich wie eine heimgekehrte Pilgerin mit Heiligenschein behandeln sollten oder eher wie jemanden, der anrüchig und ein wenig verdächtig wirkte. Ich hatte den Eindruck, dass niemand von diesen Leuten Aurora sonderlich gemocht hatte und ihr Interesse eher sensationsheischend als lauter war.
    Eine Bohnenstange von einem Mann im weißen Leinenanzug, karierten Button-Down-Hemd, cremefarbenen, italienisch aussehenden Slippern und einer klassischen Ray-Ban schlenderte herein. Selbst wenn er nicht der am besten gekleidete und einzige nicht-weiße Mann im Raum gewesen wäre, hätte Roscoe Kim Aufsehen erregt, weil man ihn so herzlich begrüßte. Als er mich entdeckte, löste er sich aus der Gruppe von Freunden, die ihm mit aufrichtiger Zuneigung auf die Schulter klopften, nahm die Brille ab, sagte: »Kätzchen!« und stürzte quer durchs Zimmer, um mich in die Arme zu schließen.
    Bridgettes Beschreibung von Roscoe Kim auf der Lernkarte war so knapp gewesen [ 20 , war zwei Klassen über Aurora, schwul, Vermögen 18  Millionen (oder mehr)], dass ich angenommen hatte, sie würde ihn nicht mögen. Jetzt wurde mir klar, dass man Roscoe einfach nicht auf einer kleinen Karte unterbringen konnte.
    Er legte mir den langen Arm um die Schultern und sagte in die Runde: »Macht schon mal ohne uns weiter.« Dann führte er mich hinaus auf die Terrasse, von der man auf den Golfplatz blickte. Die untergehende Sonne tauchte alles in ein goldenes Licht und warf buttergelbe Flecken auf die langen, bläulichen Schatten der Hügel. Ich musste mich vor ihn hinstellen und umdrehen, damit er mich von allen Seiten betrachten konnte. Er holte tief Luft, als wollte er einen witzigen Spruch anbringen, öffnete den Mund …
    Und begann zu weinen.
    »Ich hatte mir so viele kluge Bemerkungen überlegt, aber eigentlich möchte ich nur ›Scheiße, Aurora‹ sagen, weil du einfach so weggegangen bist, und dich dann umarmen und dir sagen, wie sehr du uns gefehlt hast.«
    »Das ist beides in Ordnung.«
    Er zückte ein Taschentuch und wischte sich die Augen. Dann hielt er es mir hin. »Das sollte eigentlich nur Dekoration sein«, sagte er, bevor er es wieder in die Tasche steckte. »Ich schicke dir die Rechnung von der Reinigung.«
    Ich lachte. »Wie geht es dir?«
    »Oh, sehr gut, du weißt schon. Wurde nach meinem Coming-out enterbt und dann wieder ins Testament eingefügt, als meine Schwester heiratete, weil sie den Schwiegereltern beweisen wollten, dass unsere Familie auch Jungs hervorbringt. Das Übliche. Was hast du so getrieben?«
    Ich verspürte den verrückten Drang, mich ihm anzuvertrauen, ihm die Wahrheit zu sagen. Ich wusste nicht, ob es an Roscoe lag oder der Tatsache, dass es allmählich meine Kräfte überstieg, mein Leben und meine Lügen auseinanderzuhalten.
    Er ersparte mir die Lüge, indem er sagte: »Vergiss es. Vermutlich will ich es gar nicht wissen.« Er beugte sich zu mir. »War es dreckig?«
    Ich dachte an einige der Orte, an denen ich geschlafen hatte. »Definitiv.«
    Er schlang wieder

Weitere Kostenlose Bücher