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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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sollte. Dass ich herausfinden muss, wer Liza getötet hat, bevor derjenige mich erwischt.«
    »Ich kann verstehen, dass du durcheinander bist.«
    »Nicht das hat mir Angst gemacht«, sagte ich kleinlaut, »aber ich fange allmählich an, ihr zu glauben. Dass sie wirklich Lizas Geist ist, meine ich. Mir fällt nämlich keine andere Erklärung ein. Sie hat mich gefragt, weshalb ich immer noch an ihr zweifle, und mir fiel keine überzeugende Antwort ein.«
    »Es gibt eine Erklärung. Wir haben sie nur noch nicht gefunden.«
    »Möglicherweise. Außerdem sagte sie, ich solle morgen mit einer Überraschung rechnen.«
    »Wir müssen …«
    »Ich bin davon ausgegangen, dass die Polizei die Familie endlich in Ruhe lässt.« Bridgettes Stimme drängte sich lautstark zwischen uns und schnitt ihm das Wort ab. Sie kam die Treppe herunter und stellte sich neben mich.
    »Das tut sie auch«, erwiderte N. Martinez. »Ich bin als Gast von Coralee Gold hier. Ich war gerade auf dem Weg zur Toilette, als ich Ihrer Cousine begegnet bin.«
    Am liebsten wäre ich im Boden versunken. Natürlich. Er hatte gar nicht nach mir gesucht. Er wollte mich nicht heimlich beschützen, weil ihm so viel an mir lag. Er war Coralees Date und wollte einfach nur auf die Toilette gehen. Er hatte keinen Gedanken an mich verschwendet.
    »Dann wollen wir Ihren Abend nicht weiter stören«, sagte Bridgette, ergriff meinen Arm und führte mich zurück zum Speisesaal.
    »Ich bin ihm zufällig begegnet«, protestierte ich.
    »Das möchte ich auch hoffen.« Ich war mir nicht sicher, ob ich es mir nach Colins Andeutungen nur einbildete, doch ihre Stimme klang bedrohlich.
    Als wir in den Speisesaal traten, wich die Drohung einem strahlenden Lächeln. Sie blickte geradeaus, war sich der Blicke, die auf uns ruhten, aber genau bewusst. Sie führte mich an der Hand zu einem Sessel, der in der Mitte einer langen Tafel stand, an der bereits die Familie Platz genommen hatte, und sagte zuckersüß: »Ich habe den Ehrengast gefunden. Wir können beginnen.«

37. Kapitel
    A ls ersten Gang gab es handgemachte Pasta mit leuchtend grünem Pesto, gefolgt von gegrilltem Steak für alle bis auf Aurora, die Vegetarierin, die einen gegrillten Portobello-Champignon mit Pommes frites aus violetten Kartoffeln erhielt. Dazu gab es grüne Bohnen, die quietschten, als ich darauf biss, und karamellisierte Zwiebeln. Zum Dessert servierte man drei Sorten Eis und winzige Zitronenbaisers, die auf der Zunge zergingen.
    Obwohl die Familie privat ständig miteinander stritt, funktionierte sie in der Öffentlichkeit wie ein eingespieltes Theaterensemble. Die richtigen witzigen Bemerkungen am richtigen Platz, um genau die richtige Geräuschkulisse aus Gespräch und Gelächter zu schaffen, während alle anderen im Speisesaal zuschauten. Sie alle gaben sich höflich und charmant und interessiert.
    Und sie alle würden von meinem Tod profitieren.
    Es war jemand, der an dem Abend dabei war. Jemand, der jetzt bei dir ist
.
    Bridgette und Bain waren an jenem Abend dabei gewesen. Hatten sie ihren Plan in Wirklichkeit schon vor drei Jahren geschmiedet?
    Dinge fügten sich zusammen, die ich längst hätte erkennen müssen. Es war, als betrachtete ich die Karte eines Gebietes, das ich schon durchwandert hatte und dessen Besonderheiten ich nun viel deutlicher erkannte. Dass Bridgette und Bain so bereitwillig zugestimmt hatten, als ich mehr Geld verlangte. Dass sie so achtlos mit Fakten umgegangen waren, die nichts mit der unmittelbaren Familie zu tun hatten. Dass Haare aus meiner Bürste verschwunden waren, während Bain und ich Tennis gespielt hatten. Dass Bridgette beinahe hysterisch reagierte, um mich an einem Gespräch mit der Polizei zu hindern. Dass sie eigentlich keine lebendige Aurora brauchten, sondern lediglich ihre Leiche.
    Vielleicht waren es ja nicht nur die beiden. Vielleicht steckten alle in dieser Geschichte mit drin. Vielleicht sollte ich nur für die Außenwelt Aurora sein, und zwar so lange, bis ich gestorben war. Das würde auch erklären, weshalb mich alle so bereitwillig akzeptiert hatten, sogar Onkel Thom und Tante Claire, die ganz offen skeptisch waren. Es war heimtückisch, skrupellos und, wie ich zugeben musste, sehr schlau. Typisch für eine Familie, der ihr eigenes Wohl über alles ging.
    Ich dachte unwillkürlich, dass ich nur noch am Leben war, weil ich meinen Auftritt früher als geplant hingelegt und ihnen damit die Gelegenheit genommen hatte, einen problemlosen Abgang für mich

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