Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterfahrer

Geisterfahrer

Titel: Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
Vom Netzwerk:
unsere Scheiben überhaupt nicht.
    Am Nachmittag bei Melanie hatten wir uns geliebt, zum ersten Mal seit drei Wochen, weil sie viel zu tun hatte, an einem IntensivFotoworkshop teilnahm oder so, jedenfalls ständig mit irgendwelchen Leuten auf »Motivsuche« unterwegs war, die ich nur von der sich ständig ändernden Galerie in Mels Zimmer kannte und auf die ich tatsächlich eifersüchtig war. Wenn wir uns sahen, dann oft nur für eine halbe Stunde, und auch in der Schule klappte es mit den Knutschpausen längst nicht mehr so gut wie im Sommer. Bei den Schmölings übernachtet hatte ich seit über einem Monat nicht mehr. Ich vermisste das, es schmerzte und irritierte mich, und mir fehlte ihre permanente Nähe sehr. Immerhin hatte sie heute für mich Zeit gehabt, wir hatten ihr baldachinüberdachtes Metallbett zum Quietschen gebracht, und irgendwann hatte Melanie meinen kleinen Freund sogar in den Mund genommen. Das war zwar sehr schön gewesen, auf eine Art, aber auch verwirrend. Ich hatte versucht, mich auf ähnliche Weise zu revanchieren, aber Mel hatte seltsam gekichert und gesagt: »Das probieren wir irgendwann mal ganz in Ruhe.« Als ich zu ihr aufgesehen hatte, hing ihr Blick im Nirgendwo.
    Die Gedanken daran beschäftigten mich immer noch, als wir aus dem Bus stiegen, zu dem Club gingen und dem Mann, der nach einiger Klopferei die Glastür öffnete, sagten, wir wären die Musik.
    »Ach je«, sagte er und grinste uns an.
    Der Laden war um einiges größer als die Dachluke, ging über zwei Stockwerke, und es gab grandiose Lichteffekte, die wir nicht würden nutzen können, weil wir keine Ahnung hatten, wie das Lichtpult zu bedienen war. Ansonsten ähnelte die Anlage derjenigen am Mehringdamm, ich erklärte Kuhle kurz, was wo war, was er mit Stirnrunzeln quittierte, zudem war es meine Aufgabe, die Platten abzufahren. Er stellte sich vor die Regale mit den Scheiben, legte den Kopf schief und las die schmalen Rückseiten der Hüllen ab.
    »Ganz schönes Durcheinander«, sagte er.
    Ein fetthaariger, etwas verwachsen wirkender Typ kam zu uns, stellte sich als »Ringo« vor und erklärte, für die Technik zuständig zu sein.
    »Wenn irgendwas is«, sagte er, überließ das Ende des Wortes und des ganzen Satzes unserer Phantasie, zog einen Joint aus der Brusttasche und hielt ihn mir vor die Nase. »Auch ma?«, fragte er. Ich schüttelte den Kopf.
    »Was ist mit dem Licht?«, fragte Kuhle.
    Ringo nickte. »Licht, ja«, sagte er, zündete sich den Joint an, zog, hielt mit geschlossenen Augen für eine gute Minute den Atem an und blies den Rauch dann durch die Nase aus.
    »Da is Licht«, erklärte er und zeigte auf das hellgraue Lichtpult, das mehr Regler hatte als Scottys Arbeitsplatz auf der Enterprise.
»Und?«, fragte Kuhle, nahm den Joint aus Ringos Hand und zog kräftig daran. »Könntest du das kurz erklären?« Das hörte sich an, als hätte er den Joint mitten im Hals zu stecken.
»Ja, dis Licht«, führte Ringo aus, »is da.«
Da ich völlig fassungslos war, weil Kuhle einen verdammten Joint rauchte, ignorierte ich den Ausgang der Lichtdiskussion. Ich hob die Hand zum Gruß und ging zum Klo.
Als ich zurückkam, trank Kuhle ein Bier, für mich stand auch eins neben dem Pult.
»Was war denn das eben?«, fragte ich.
»Was war was?«
»Das mit der Rübe.«
»Mal ausprobieren«, sagte Kuhle. Er war offenbar schlecht gelaunt, und irgendwas gab mir das Gefühl, dass sich das während des Abends nicht ändern sollte.
Die Oberschüler kamen grüppchenweise, erst gegen neun wurde es richtig voll, und bis dahin hatte es Kuhle wenigstens geschafft, ein paar Spots zum Flackern zu bringen. Ich legte nach Gusto auf, die Tanzfläche war kaum gefüllt. Dann erschien Sabrina. Hand in Hand mit einem Mann, der mindestens so alt war wie Melanies Vater.
Kuhle sackte kurz in sich zusammen, fing sich aber sofort wieder, reichte mir eine Maxi, mit verschwommenem Blick. Ich behielt ihn im Auge, als ich die Platte cuete, sah dann zu Sabrina, die kurz hochwinkte und anschließend den Mann küsste. Meine Knutschereien mit Melanie, die durchaus eine gewisse Zungenfertigkeit entwickelt hatten, waren im Vergleich zu diesem Kuss bestenfalls Regionalliga.
»Holla«, sagte ich, hoffte, dass es so leise gewesen war, dass Kuhle nichts hörte, aber der starrte nur.
Mel kam gegen elf, wir küssten uns natürlich auch, und ich versuchte, mich wirklich ins Zeug zu legen, sabrinakussmäßig, zumal ich bereits drei Bier intus hatte. Sie kicherte, wie am

Weitere Kostenlose Bücher