Geisterfjord. Island-Thriller
umzuschauen.
Als er weg war, traf Katrín plötzlich eine Entscheidung, die sie zwar bereuen würde, die aber eindeutig richtig war. »Geh mit, Líf. Ich bin schon in Ordnung. Beeilt euch!«
Wieder flackerte die Taschenlampe. Líf ließ sich das nicht zweimal sagen und sprang auf die Füße, um Garðar nachzulaufen. In der Tür drehte sie sich noch einmal um, ging zu Katrín und gab ihr einen schmatzenden Kuss auf die Wange. »Sorry. Ich hab das mit deinem Fuß eben ganz vergessen. Du sollst ja nicht alleine hierbleiben. Diese Situation macht mich einfach total verrückt, ich brauche unbedingt eine Zigarette.« Sie lächelte Katrín zu, die versuchte zurückzulächeln, was ihr wegen der Schmerzen schwerfiel. »Putti passt auf dich auf.« Dann eilte Líf aus dem Raum, um Garðar nicht zu verpassen, der sich im dunklen Vorzimmer geräuschvoll anzog. Katrín und Putti, der die Augen aufgemacht und Líf nachgeschaut hatte, blieben zurück. Der Hund schloss die Augen wieder, als er hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel, ungefähr im selben Augenblick, als die Taschenlampe verlosch.
Die tiefen, ruhigen Atemzüge des Hundes beruhigten Katrín ein wenig. Die Taschenlampe weigerte sich trotz mehrmaliger Versuche standhaft, wieder anzugehen. Das Birnchen flackerte noch mal kurz auf, kaum merkbar und nur für ein paar Sekunden. Die Zeit kroch dahin, aber Katrín wusste, dass einem in dieser Situation jede Minute wie zehn, hundert oder tausend Minuten vorkam. Wäre sie mit guten Bekannten essen gewesen, wäre dieselbe Zeit wie im Flug vergangen, aber jetzt schlug sie sie tot, indem sie immer wieder bis sechzig zählte und die Minuten addierte, die vergangen waren. Dabei wurde sie jedoch immer schneller, so dass ihre Zeitrechnung keine Bedeutung hatte.
»Jetzt müssten sie bald kommen, Putti.« Ihre Stimme klang in der stillen Leere albern. Aber es war besser, ihre eigene Stimme zu hören als gar nichts. »Meinst du nicht auch?« Der Hund antwortete nicht und hatte sich, seinem Atem nach zu urteilen, noch nicht mal gerührt. Katrín überlegte, ob sie ihren heilen Fuß ausstrecken und ihn anstoßen sollte, fürchtete aber, dass die Bewegung den verletzten Fuß aus seiner Schonhaltung bringen würde. Dennoch hätte sie Putti gerne geweckt, es war einfach ungerecht, dass er im Land der Träume weilte. Da hätte sie genauso gut alleine sein können. Außerdem konnte er die Umgebung gut einschätzen, seine Sinnesorgane waren schärfer als ihre. Wenn Putti wach wäre und keinen Mucks von sich gäbe, könnte sie sich entspannen und ziemlich sicher sein, dass alles in Ordnung wäre. Aber im Moment hätte ein ganzer Knabenchor das Haus stürmen und ein Lied anstimmen müssen, um ihn zu wecken, denn er war Spaziergänge im tiefen Schnee nicht gewohnt. Katrín hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als sich Puttis Atem veränderte, gefolgt von einem kurzen Bellen. Was hatte sie sich nur gedacht? Es war viel schlimmer, wenn der Hund wach war und sie sich bei jedem Mucks von ihm das Schlimmste einbildete. Das Bellen hing noch lange, nachdem Putti verstummt war, in der Luft, und Katrín kämpfte mit der Versuchung, sich die Ohren zuzuhalten. Letztendlich wollte sie doch lieber mitkriegen, wenn etwas zu hören war, und nicht in Ungewissheit darauf warten, dass etwas Schlimmes passierte. Auch wenn sie keine Heldentaten vollbringen konnte, war sie vielleicht in der Lage, sich zu schützen, wenn es darauf ankam.
Ein leises Kratzen drang an ihr Ohr, gefolgt von einem undeutlichen Knarren. Katrín zuckte zusammen, als ihr klar wurde, dass die Geräusche aus dem Haus kamen. Putti knurrte leise und kläffte dann laut los. »Psst!« Wenn er damit weitermachte, konnte sie nichts anderes mehr hören und nicht feststellen, woher die Geräusche kamen, falls sie noch mal zu hören waren. Der Hund bellte noch einmal, wesentlich verhaltener, und verstummte dann. Katrín spitzte die Ohren und schnupperte, als ihr ein fieser Geruch, wie von altem Fisch, in die Nase stieg. Dann hatte sie plötzlich das Gefühl, dass jemand hinter ihr stünde. Wieder ertönte ein Knarren, und dann direkt wieder, so als trete jemand auf den morschen Bodendielen von einem Bein aufs andere. Katrín drehte sich ganz langsam in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, überzeugt davon, aus dem Augenwinkel sehen zu können, wer hinter dem Stuhlrücken stand. Doch in der Dunkelheit war nichts zu sehen. Sie starrte unverwandt in die Richtung, die ihr am
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