Geisterfjord. Island-Thriller
es hören konnte. »Glaubst du mir jetzt?« Sie packte Katrín fest am Arm.
Putti spürte Lífs Nervosität und knurrte leise. Er drehte sich im Kreis und bellte einmal in die Dunkelheit zwischen dem Fluss und dem Haus. Katrín war alarmiert. »Komm wieder rauf, Garðar!« Sie traute sich nicht, sich umzudrehen. »Wir holen es morgen.« Ihr Arm schmerzte von Lífs Griff. »Na, komm schon.«
Garðar ging konzentriert flussabwärts. »Da ist die Tüte!« Triumphierend schaute er zu ihnen hoch, aber Katrín konnte von ihrem Standpunkt aus nichts sehen. »Sie ist abgetrieben. Ich hätte besser einen schwereren Stein draufgelegt.« Er blieb stehen, beugte sich über den Fluss und holte die triefnasse Tüte heraus. »Verdammt.« Garðar hielt die Tüte so weit wie möglich von sich, damit er nicht nass wurde. Als das Wasser herausgelaufen war, kam er zurück und hielt den Frauen die leere Tüte hin. »Ich gehe noch ein Stück am Fluss entlang und suche nach den Dosen.«
Katrín hätte am liebsten laut protestiert. Stattdessen nahm sie die Tüte und ließ sie zwischen Líf und sich auf den Boden fallen. Erst jetzt gab Líf ihren Arm frei, und Katrín konnte runter zu Garðar. »Ich komme mit. Du gehst nicht alleine. Was, wenn du ins Wasser fällst?« Während sie mit den Füßen Halt suchte, merkte sie, warum sich Garðar so langsam die Böschung heruntergetastet hatte. Wasser sprühte hoch, und sie fühlte sich wie ein nasser Schwamm.
»Spinnt ihr?« Líf flüsterte nicht mehr und wartete nicht auf eine Antwort, sondern beeilte sich, runter zu Katrín zu kommen. Sie war so hektisch, dass nicht viel gefehlt hätte, und sie hätten beide das Gleichgewicht verloren. Aber Líf kümmerte sich nicht darum und sagte atemlos: »Lasst uns wieder reingehen! Das könnte eine Falle sein. Wenn jemand hier ist, dann hat er das Bier geholt, weil er wusste, dass wir wie blöd danach suchen würden.« Putti hörte auf zu knurren, als er merkte, dass Bewegung in die Gruppe gekommen war, und folgte den Frauen. Er beachtete den glatten Untergrund gar nicht, sprang einfach an ihnen vorbei, schnüffelte an der Böschung und fing wieder an zu knurren. »Da seht ihr’s!« Líf fuchtelte mit den Händen und zeigte auf den Hund. »Er spürt, dass jemand hier ist. Seht ihr? Er hat an der Stelle geschnüffelt, wo das Bier war.«
»Er bellt doch die ganze Zeit, Líf. Sogar in der Stadt, ohne besonderen Grund«, erwiderte Garðar und trat ein Stück beiseite, um den Frauen an dem schmalen Flussufer Platz zu machen. »Wir gehen bis zum Strand und dann ein paar Meter daran entlang. Es passiert schon nichts, und wenn ihr seht, dass sich nicht hinter jedem Stein was Böses versteckt, beruhigt ihr euch auch wieder. Vielleicht lasst ihr mich dann endlich mit diesem Quatsch in Ruhe.« Putti starrte Garðar an und bellte. Schwer zu sagen, ob er ihm beipflichten oder widersprechen wollte.
Schweigend marschierten sie los, und erst als Katrín eine Dose erblickte, die an der Flussmündung gestrandet war, wurden sie wieder munterer. Sie beschleunigten ihre Schritte, und sogar Putti wedelte wieder fröhlich mit dem Schwanz. Triumphierend fischte Garðar die Dose aus dem Wasser, und sie spazierten entspannt weiter am Strand entlang. Der Meeresgeruch war erfrischend, und Putti lief munter vor ihnen her, machte eine Kehrtwende, rannte wieder zurück und wiederholte das ganze Spiel. Garðar war fröhlich und hochzufrieden, dass er mit dem Bier recht gehabt hatte, was sich scheinbar auf seine Beine übertrug, denn er hatte fast aufgehört zu humpeln. Er entdeckte als Erster die nächste Dose, die kurz hinter der Flussmündung in einem Tanghaufen lag, und steckte sie in seine Tasche. Die beiden nächsten lagen kurz dahinter, aber sie mussten noch ein Stück weitergehen, bevor sie die fünfte fanden. Líf entdeckte sie, vergaß vor Freude für einen Moment ihre Angst und lief voraus, um die goldfarbene Dose, die im Mondschein glänzte, zu holen. Als sie sich übermütig mit der Dose in der Hand umdrehte, musste Katrín einfach lächeln – all ihre Sorgen waren mit dem kalten Wind aufs Meer hinausgeweht. In diesem Moment blieb Putti abrupt stehen und begann zu knurren. Katrín fand das Knurren anders als vorher, eindringlicher und angstvoller, als spüre der Hund etwas, das ihn bedrohte. Oder sie.
Katrín blieb stehen und hielt Garðar fest. Sie befahl Putti aufzuhören, und der Hund drängte sich winselnd an ihre Beine. Dann verstummte er. Erst knirschten nur
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