Geisterfjord. Island-Thriller
leer. Das Handy muss aus Versehen eingeschaltet gewesen sein.« Sie schüttelte das Gerät wie verrückt und zweifelte an ihrer eigenen Erklärung.
»Was?« Garðar klopfte sich den Staub von den Händen und kam zu ihr. »Seltsam.« Er holte sein eigenes Handy und schaltete es ein. Dann hielt er es ein Stück von sich weg und starrte es ungläubig an. »Willst du mich verarschen?«, sagte er zu sich selbst und schüttelte sein Handy dann genauso wie Katrín ihres. Er drückte noch einmal etwas fester auf den Einschaltknopf. Nichts passierte. Das Handy war tot. »Das gibt’s doch nicht!« Er drehte sich zu Líf, die unbekümmert durch die runden Linsen des Fernglases aus dem Fenster schaute. »Líf! Versuch mal, dein Handy einzuschalten. Unsere gehen nicht mehr.«
Líf drehte sich langsam um und ließ das Fernglas sinken. Ihr entsetzter Gesichtsausdruck war ihnen inzwischen schon vertraut. »Nein.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ich will das nicht. Lasst uns auf den Berg klettern und es da probieren. Ich bin mir sicher, dass mein Handy in Ordnung ist.«
»Gib mir dein Handy, Líf.« Garðar streckte die Hand aus. »Wir gehen nirgendwohin, wenn wir kein funktionierendes Handy haben.« Als er merkte, dass Líf schon wieder kurz vorm Nervenzusammenbruch war, fügte er schnell hinzu: »Wenn deins auch leer ist, finden wir eine andere Lösung. Kein Grund zur Panik.«
Líf klappte ihren Mund zweimal auf und zu, ohne etwas zu sagen. Dann reichte sie Garðar zögernd ihr grellrosa Klapphandy, das mit einem glitzernden Herzchen verziert war. »Sag mir nicht, dass es nicht funktioniert. Ich will es gar nicht wissen.« Sie machte die Augen zu, schielte aber durch die zusammengekniffenen Lider.
»Verdammt nochmal, das glaube ich nicht!« Garðar hämmerte auf den Tasten des kleinen, rosafarbenen Handys herum, bis einer der Schmucksteine abfiel.
»Wie kann das sein?«, fragte Katrín und nahm Garðar das Handy ab. Das Display des bunten Geräts war genauso tot wie bei ihrem Handy. »Wie können drei Handys, die die ganze Zeit ausgeschaltet waren, auf einmal leer sein?«
Líf murmelte etwas Unverständliches und ließ sich gegen die Wand fallen. Die dunklen Pupillen in ihrem blassen Gesicht stachen hervor. »Warum hast du es probiert? Vielleicht hätte es funktioniert, wenn wir einfach losgegangen wären und es auf dem Berg eingeschaltet hätten. Das hat Unglück gebracht.«
Garðar vergrub das Gesicht in den Händen und atmete ruhig aus. Dann stand er einen Moment lang reglos da, ließ die Arme sinken und seufzte vernehmlich. »Okay, ich hab mir das ein bisschen anders vorgestellt.« Er klopfte mit zwei Fingern leicht gegen die Kiste. »Ich kriege das jetzt echt nicht geregelt. Lasst mich einfach erst mal so weitermachen, als wäre gar nichts passiert, sonst schlage ich ein Loch in die Wand, und die Liste unserer Renovierungsarbeiten wird noch länger.« Sein Blick wanderte von Líf zu Katrín. Die kannte diese Reaktion nur zu gut. Garðar war nicht in der Lage, solche Schocks zu realisieren. Katríns Kopfschmerzen wurden unerträglich und drückten gegen ihren Schädel.
Líf wollte erst etwas entgegnen, blieb dann aber still. Katrín fiel auch nichts ein, und die Atmosphäre war innerhalb von Sekunden wie an Bord eines U-Boots, das sich unter einer Eisscholle festgefahren hatte. Katrín beobachtete frustriert, wie Garðar die Kiste weiter durchwühlte. Während sie schwiegen, waren auf einmal Geräusche zu hören, die vorher untergegangen waren: leises Pfeifen des Windes und vereinzeltes Knarren und Knacken im Haus, das Katrín Schauer über den Rücken jagte und Líf ständig zusammenzucken ließ.
»Seht mal!« Garðar nahm eine abgerundete, schwarze Kameratasche aus der Kiste. »Ist das eine Videokamera?« Mit einem scharfen Surren zog er den Reißverschluss auf. »Ja.« Ein schickes, silbernes Gerät kam zum Vorschein. Garðar neigte den Kopf und schloss die Augen. »Bitte, lass die Batterie in eines der Handys passen.«
»Du kannst mir nicht erzählen, dass die noch läuft.« In Lífs Stimme war keine Spur von Aufregung oder Neugier. »Das wäre verrückt, total verrückt.«
Nachdem Garðar eine Zeitlang mit der Kamera herumhantiert hatte, schaltete er sie ein, aber natürlich war die Batterie leer. Sie wäre ohnehin viel zu groß für die Handys gewesen. Er untersuchte die Kamera weiter und öffnete ein kleines Fach an der Seite, in dem die Speicherkarte steckte. »Ob man die in einen Fotoapparat stecken
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