Geisterflut
mit ihrem Haar anstellen würde, dann war es ganz genau auf sie gemünzt, und obschon dabei theoretisch auch etwas Gutes bezweckt werden konnte, war es doch sehr viel wahrscheinlicher, dass man ihr damit schaden wollte. Sie hatte schon sehr früh im Leben verinnerlicht, dass Vorsicht die Mutter der Porzellankiste war.
Dennoch hoffte sie, dass Terrible sie nicht fragen würde, was in den Gläsern war. Dabei ging es ihr weniger um den privaten Charakter dieses Blutpulvers als vielmehr um die Magie selbst, jenes hochkomplexe System von Energien und Bedeutungen, und darum, inwiefern sich ihre eigene Magie auf subtile Weise von der jedes anderen Kirchenmitarbeiters unterschied. Einer der wichtigsten Bestandteile ihrer Ausbildung war es gewesen, einen eigenen Stil zu entwickeln und herauszufinden, welche Energien ihr am ehesten entsprachen und mit welchen sie am besten umgehen konnte. Dieser Stil wurde im Laufe der Zeit zu etwas so Persönlichem wie ein Fingerabdruck - unverkennbar, wenn man ein Gespür für so etwas hatte. Es war wirklich schade, dass der Gruppencharakter der Lamaru-Magie es unmöglich machte, sie auf einzelne Personen zurückzuführen.
Als Letztes holte sie eine halbvolle Wasserflasche, in der sich drei Eisenringe befanden, und drei schwarze Kerzenstummel hervor.
Die Nachmittagssonne schien ihr angenehm warm auf den Rücken, das Straßenpflaster hatte sie aber ziemlich aufgeheizt. Chess setzte sich dennoch hin, zuckte ein wenig zusammen, als ihr die Hitze durch die Jeans drang, und zog sich die Stiefel aus. »Terrible, du musst die Schuhe tauschen.«
»Wie bitte?«
»Zieh die Schuhe aus und zieh den rechten links an und den linken rechts.«
Sein vernarbtes Gesicht bekam den verdutzten Ausdruck nicht allzu gut hin, doch Chess verstand ihn trotzdem.
»Fußspuren sind mächtig. Im magischen Sinne mächtig, meine ich. Jedenfalls die Spuren, die der linke Fuß hinterlässt. Wenn jemand dich verhexen will, probiert er es damit als erstes. Wenn du also die Schuhe tauschst -«
»Verwirre ich denjenigen?« Er nickte. »Also gut.«
Der kurze Moment des gemeinsamen Gelächters, als sie auf ihre Füße hinabsahen, die nun in den falschen Schuhen steckten, als wären sie Kleinkinder, die darauf bestanden hatten, sich selbst anzuziehen, löste ein wenig die Anspannung, die Chess die Brust zuschnürte. Ihr Gefühl, dass es richtig gewesen war, hierher zu kommen und diesen Ort mit den Lamaru in Verbindung zu bringen - wie sonst ließ es sich schließlich erklären, dass Goody Tremmell versucht hatte, die Quittung verschwinden zu lassen - nahm mit jedem Augenblick zu. Doch leider nahm ihre böse Vorahnung ebenso zu.
»Du hast nicht zufällig einen Handfeger oder so was im Wagen? Oder einen Pinsel? An alles andere hab ich gedacht...«
»Ich schau mal nach.« Er öffnete den Kofferraum. Chess bewegte ungeduldig die Zehen in den nun unbequemen Stiefeln und sah zu, wie sein Kopf im dunklen Kofferraum des Chevelle verschwand.
Ein, zwei Minuten später brachte er einen Malerpinsel zum Vorschein, der zwar nur drei Zentimeter breit war, für ihre Zwecke aber vollauf genügte. Er sah ihr dabei zu, wie sie die Betonschwelle vor der Tür gründlich mit dem Pulver bedeckte. Anschließend taten ihr die Beine weh; sie hatte sich so weit weggehockt, wie sie nur konnte, und die Luft angehalten, um nicht versehentlich aufsteigenden Staub einzuatmen.
»Eine ganz banale Abwehrmaßnahme«, sagte sie, als sie seinen fragenden Blick bemerkte. »Man verstreut irgendein Hexenpulver, das den Leuten dann an den Schuhsohlen hängen bleibt.«
»Oh Mann.«
»Ja. Gib mir deine Hände.«
Es half, dass sie Handschuhe trug; so musste sie seine nackte Haut nicht spüren. Doch sogleich waren die Erinnerungen wieder da: Wie diese Hände sie an noch ganz anderen Stellen berührt hatten, wie er sie damit hochgehoben hatte und ihr damit ins Haar gefahren war ... Sie musste schlucken. Besser, sie konzentrierte sich darauf, seine Hände beiderseits mit schwarzer Kreide zu markieren, und als sie ihm anschließend auch noch ein Zeichen auf die Stirn malte, vermied sie es, in seine Augen zu sehen. Er blieb währenddessen ganz reglos, zuckte mit keiner Wimper und richtete den Blick über ihre Schulter hinweg.
Nachdem sie ganz geschäftsmäßig auch ihre eigenen Hände und ihre Stirn präpariert hatte, bückte sie sich, um die Kerzen anzuzünden. »Saratah saratah ... beshikoth beshikoth ...« Sie gab die Kräuter und das Blutpulver in ihre kleine
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