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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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gingen und über die Menschen herfielen. Mit Messern und Glasscherben, mit Seilen und Äxten hatten sie sie teilnahmslos niedergemetzelt.
    Sie war beileibe nicht die Einzige, die die Kirche als Retterin ansah, es gab nur wenige Splittergruppen des Widerstands, die auf bescheidene und meist vergebliche Weise gegen die Kirche rebellierten. Die gesamte Menschheit - von der nach jener grauenvollen Woche nur noch ein Drittel übrig gewesen war - verdankte ihr Leben der Kirche und ihren Dienern, die als Einzige in der Lage gewesen waren, die Geister in den Griff zu bekommen und zu bezwingen. Bevor sie also der ganzen Welt die Wahrheit gezeigt hatten, waren sie lediglich ein Grüppchen gewesen, das sich dem Studium der Magie verschrieben hatte. Jetzt beherrschten sie die ganze Welt.
    Und Chess gehörte dazu. Es war das Einzige in ihrem Leben, worauf sie stolz war.
    Sie schob die schwere Eisentür auf und stand dann in dem kühlen, blauen Eingangssaal der Kirche der Wahren Wahrheit.
    Es kam ihr immer noch ein wenig wie eine Heimkehr vor, und warum auch nicht? Die einzige Konstante ihres ganzen Lebens war dieses Gebäude gewesen. Als Kind hatte sie alle paar Monate neue Pflegeeltern, ein neues Zuhause, neue Geschwister bekommen. Wer sie von der nimmer endenden Abfolge von Pflegevätern nicht sexuell missbrauchte, der prügelte sie windelweich. An den Samstagen jedoch hatte man sie hierher gebracht, damit sie dem Großältesten lauschte und mehr über die Geheimnisse der Stadt der Toten erfuhr.
    Und als man erst einmal ihre Begabungen entdeckt hatte, war daraus natürlich mehr geworden. Man hatte sie in die Schule aufgenommen, wo sie zum ersten Mal einigermaßen sicher gewesen war.
    Ihre Absätze klackten über den Steinboden. Es hallte an den kahlen Wänden zu den Deckenreliefs empor: Totenschädel und kreischende Gesichter auf der Westseite, auf der Ostseite das selige Lächeln der zur ewigen Ruhe gebetteten Toten.
    »Cesaria! Guten Morgen!«
    Der Älteste Griffin öffnete die Tür seines Büros und kam in die Eingangshalle hinaus. Er trug einen dunkelblauen Samtanzug, der in dem schummrigen Licht das reine Weiß seiner Strümpfe an den wohlgeformten Waden betonte. Die breite Krempe seines farblich abgestimmten Huts warf einen Schatten über sein Gesicht, sodass sein Lächeln darin schwebte wie das Grinsen der Cheshire-Katze.
    Er nahm ihre Hand und neigte den Kopf. »Du siehst müde aus, meine Liebe. Geht es dir gut?«
    »Ja, alles bestens. Es ist bloß ...« Sie zögerte. »Ich brauche einen neuen Fall. Ich habe die Sanford-Sache gestern Abend abgeschlossen. Ich reiche die Akte heute noch ein.«
    »Aber kein Bonus.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Irgendwelche Schwierigkeiten bei den Sanfords?«
    Äh ... »Ich bräuchte auch einen neuen Psychopomp. Mein gegenwärtiger ist zu früh erschienen. Es ist kein Problem«, beeilte sie sich zu versichern, als sie seinen besorgten Blick bemerkte. Sie wollte nicht berichten müssen, was sich abgespielt hatte. »Aber ich glaube, er sollte von jetzt an besser mit einem anderen Debunker zusammenarbeiten.«
    »Sprich mit dem Ältesten Richards, bevor du gehst. Hast du den Psychopomp dabei?«
    Sie nickte. »Und dann wäre ich auch bereit für einen neuen Fall. Bitte.«
    »Bist du denn überhaupt an der Reihe?«
    »Ich glaube schon. Bitte, Ältester Griffin. Ich will arbeiten, ich ... hab im Moment ein echt gutes Gefühl dabei.«
    Er überlegte einen Moment lang und kniff dabei die schwarz umrandeten Augen zusammen. »Heute Nacht ist etwas hereingekommen. Komm mit. Der Älteste Murray leitet heute die Messe, ich übernehme nur das Credo. Also habe ich noch ein wenig Zeit.«
    Die Silberschnallen seiner Schuhe funkelten, als sie quer durch den Saal zum Aktenraum gingen. Dort wandte Chess gehorsam den Blick ab, während der Älteste das kleine Ritual vollzog, mit dem man den Wehrzauber der Tür aufhob. »Ich habe die Akte heute Morgen angelegt, habe aber die finanziellen Einzelheiten noch nicht bekommen. Es geht um die Familie Morton aus Trebor Bay. Angeblich haben sie schon wochenlang Probleme, haben sich aber gerade erst gemeldet.«
    Chess hob die Augenbrauen. »Immer das Gleiche.«
    »Du sagst es. — Da hätten wir's.«
    Ohne die imposante Gestalt von Goody Tremmell, die sonst immer daran saß, erschien der große Schreibtisch eigentümlich leer, trotz des Durcheinanders aus Papieren und leeren Kaffeetassen. Die eigentlichen Akten wurden in der langen Reihe der Aktenschränke verwahrt.

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