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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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schönen Tag, Chessie. Und viel Glück bei deinem neuen Fall.«
    Ihm nachzusehen war ein Fehler. Die Art und Weise, wie er die breiten Schultern bewegte und wie das bläuliche Licht auf seinen schulterlangen schwarzen Haaren spielte ... und dieses Haar war wunderbar weich, das wusste sie noch.
    Wenn sie ihm jetzt nachgegangen wäre, wäre sie auf dem schnellsten Weg in die Bibliothek gelangt, doch sie wählte stattdessen einen Umweg und ging rechts herum, an dem Aufzug vorbei. Dort bekam sie immer ein Kribbeln auf der Haut. Sie war ein einziges Mal mit dem Aufzug gefahren, bei ihrem ersten Evaluationsbesuch - diese langsame Fahrt in die Tiefe und dann die lautlose, zwanzigminütige Zugfahrt zur Stadt der Toten - und verspürte kein nennenswertes Verlangen, es noch einmal zu tun. Aus diesem Grunde hatte sie sich auch für den Beruf des Debunkers entschieden und nicht für den der Verbindungsperson. Die Stadt der Ewigkeit war kein angenehmer Ort, zumindest nicht für sie.
    Was allen anderen so erstrebenswert erschien - die wohlverdiente, ewige Ruhe - wäre für Chess die Hölle, also nur ein klein wenig schlimmer als ihr jetziges Leben. Sie konnte die Leute einfach nicht begreifen. Und das war noch so ein Webfehler in ihrer Seele, noch eine Auffassung, die sie mit niemandem teilen konnte, noch etwas, das zu ihrer Andersartigkeit und ihrem Alleinsein beitrug.
    Links hinter dem Aufzug führte eine Wendeltreppe nach oben. Das alte Eisen ächzte unter ihren Schritten. Niemand benutzte diese Treppe, und den Korridor betrat auch nie jemand außer den Verbindungspersonen - und die hatten am Feiertag frei.
    Nach zwei Dritteln der Stufen hielt sie inne und kramte nach ihrem Pillendöschen. Die zusätzlichen Cepts, die sie wegen der Schmerzen in der Hand genommen hatte, wirkten einschläfernd, und die Treppe war wahrscheinlich der einzige Platz im ganzen Gebäude, wo sie sicher sein konnte, nicht beobachtet zu werden. Es gab hier nicht einmal Überwachungskameras - die Verbindungspersonen hatten Stunk gemacht, weil sie bei der Vorbereitung auf ihre Einsätze nicht beobachtet werden wollten. Chess konnte das gut verstehen, denn zu den Toten ging man nackt.
    Die rechte Hand wollte ihr nicht so ganz gehorchen, und daher musste sie das Pillendöschen auf einer Treppenstufe abstellen und den Verschluss mit der Linken öffnen. Sie hatte sich ja unbedingt die rechte Hand verletzen müssen!
    In dem Döschen befand sich die kleine Tüte, die Bump ihr vorige Nacht überlassen hatte. Sie zog eine Haarnadel hervor, die genau die richtige Größe und in der Mitte eine praktische Griffmulde hatte. Sie nahm sie zwischen Daumen und Zeigefinger und hob damit ein klein wenig von dem Pulver heraus. Mit dem anderen Daumen hielt sie sich das rechte Nasenloch zu und hob dann die Nadel unter das linke.
    »Ich sage Euch: Da stimmt etwas nicht.«
    »Bruce, Bruce, du übertreibst.«
    Chess spähte zwischen den Geländerstangen hindurch nach unten. Was machte der Großälteste denn hier mit Bruce Wickman? Bruce war eine Verbindungsperson. Diese Leute schienen nie mit jemandem zu reden — außer mit ihresgleichen und den Toten. Und wieso sprachen sie hier miteinander und nicht im Büro des Großältesten?
    Ein Blick nach oben, und Chess wäre entdeckt. Bloß gut, dass die Treppe als unbenutzt galt.
    »Nein, ich übertreibe nicht, Sir. Die Toten sind ... in Unruhe. Ich bin nicht der Einzige, dem das aufgefallen ist. Wenn Ihr mir bestimmte Materialien leihen würdet, könnte ich mit dem Geist eines alten Debunkers sprechen und mal sehn, was der davon hält.«
    »Wie meinst du das: in Unruhe?«
    »Als würde sie etwas stören oder ihnen Angst machen. Wir hatten in letzter Zeit Schwierigkeiten, überhaupt mit ihnen zu kommunizieren.«
    »Ihr Fest ist erst vor zwei Wochen zu Ende gegangen. Sie sind immer so, wenn es mit ihrer Freiheit wieder vorbei ist. Weißt du nicht mehr, Bruce, wie sie vorletztes Jahr versucht haben zu entkommen, drei Tage, nachdem die Tore wieder geschlossen waren? Da warst du doch schon hier, oder?«
    »Ja, aber diesmal ist es etwas anderes. Es ist -«
    Der Großälteste legte Bruce eine Hand auf den Rücken. Es sah ganz freundlich aus, aber Bruce zuckte ein wenig zusammen. »Ich werde mich darum kümmern, Bruce. Sag den anderen Verbindungspersonen, dass ich über euer Ersuchen nachdenken werde. Obwohl ich sicher bin, dass bald wieder alles in geordneten Bahnen verlaufen wird.«
    Bruce nickte bekümmert, und Chess mühte sich, die

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