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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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hätte sie ein kratziges Klettband um den Hals.
    Sie hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es war, doch da sie sich derart mies fühlte, musste es schon später Vormittag sein. Scheiße. Sie war nicht bei den Mortons gewesen. Nicht dass die gewusst hätten, dass sie in der Nacht wiederkommen wollte, aber dennoch.
    Als sie sich schließlich aufsetzte, dröhnte ihr der Kopf. Das Schlimmste, was sie jetzt tun konnte, wäre kratzen. Das würde den Juckreiz noch verschlimmern. Das wusste sie aus Erfahrung. Wenn sie anfinge, die unsichtbaren Krabbelviecher unter ihrer Haut zu kratzen, könnte sie sich auch gleich die Kugel geben. Das wäre wie eine Provokation. Und die Krabbelviecher warteten nur darauf.
    Auf dem zweiten Platz der internen Rangliste ihrer Qualen landete natürlich ihr Magen. Er fühlte sich an, als hätte sie sich einen herzhaften Schluck Säure gegönnt. Platz drei belegte ihre rechte Handfläche, die höllisch wehtat.
    Durch ein kleines Fenster hoch oben in der Wand gegenüber drang mattes Licht in den Raum. Wenn sie den Kopf in den Nacken legte, konnte sie einen kleinen grauen Himmelsausschnitt erkennen. Dann war es also entweder noch früher Morgen oder einfach ein grauer Tag. Sie setzte auf Letzteres. Nie im Leben hätte sie solche Entzugserscheinungen gehabt, wenn nur ein, zwei Stunden vergangen wären.
    Slobags Schergen hatten ihr eine Steppdecke untergelegt, die aber nicht viel genützt hatte. Die legte sie sich nun um die Schultern, um etwas gegen ihr Zittern zu unternehmen, und lehnte sich im Sitzen an die Wand.
    Es wäre sinnlos, die Tür öffnen zu wollen. Das schwere Eisenschloss sah funkelnagelneu und sehr massiv aus. Und andere Türen gab es hier nicht. Nicht mal eine Klappe im Boden mit einem praktischen Eisenring dran.
    Dafür aber immerhin eine Toilette. Chess würde sie nicht benutzen, nicht, wenn man ihr dabei zusehen konnte, wusste aber ihr Vorhandensein zu schätzen. Es ging doch nichts über rücksichtsvolle Entführer.
    Ach du Scheiße! Was zum Teufel wollten die von ihr? Es war ja nicht so, dass man sie leicht verwechseln konnte. Nicht mit ihren Tattoos und höchstens, wenn man komplett bescheuert war - was Slobags Leute nicht waren.
    Sie wusste nicht viel über Slobag - nicht ihre Nachbarschaft, nicht ihr Dealer. Also war es bisher nicht nötig gewesen, was über ihn zu wissen. Er hatte sein Revier, genau wie Bump, und war auch genauso gnadenlos wie Bump. Doch anders als der hegte er einen Groll ihr gegenüber, einfach nur ihres Arbeitgebers wegen. Die zunehmende Vorherrschaft der Kirche wurde in den asiatischen Ländern mit weit größerem Argwohn betrachtet als im Westen, und Slobag und seine Leute waren Kantonesen.
    Chess verschränkte die Arme fest vor der Brust, denn sie verspürte einen fast unwiderstehlichen Drang, sich zu kratzen. Ihr ganzer Körper sehnte sich inbrünstig nach Drogen. Sie musste hier raus. Sie brauchte ihre Pillen. Schon bei dem Gedanken stöhnte sie unwillkürlich.
    Metall schabte über Metall. Die Tür wurde aufgeschlossen und öffnete sich.
    »Dann ist sie also wach?«
    Chess kannte den Mann nicht, der dort in der Tür stand. Er hatte eine schwarze Stachelfrisur. Alles an ihm war schwarz — nur nicht seine Haut und die Silberketten am Hals und der klobige silberne Totenkopfring an seiner rechten Hand. Das schwarze chinesische Schriftzeichen, das auf den linken Handrücken tätowiert war, hätte ihn als einen von Slobags Männern ausgewiesen, wenn seine Gesichtszüge das nicht schon getan hätten. Slobags Leute trugen alle diese Markierung, so wie Chess ihre Tattoos trug, die ihr ein wenig Schutz vor den Geistern boten und im Kampf gegen sie zusätzliche Macht verliehen. Sie nahm an, dass auch seine Tätowierung irgendwelche Kräfte spendete. Vielleicht war es andere als bei ihr, aber wer wusste das schon?
    Hinter ihm sah sie ein paar weitere Männer stehen, die die Arme vor der Brust verschränkten. Also keine Chance, ihn zu überrumpeln und abzuhauen. Nicht mal, wenn er allein gewesen wäre - nicht in ihrem Zustand. Zumal wenn es stimmte, was man sich über die Mitglieder dieser Bande so erzählte.
    »Wieso machst du denn so ein Gesicht, Tülpi? Du guckst ja wirklich jämmerlich aus der Wäsche.« Seine Stimme war tiefer, als sie erwartet hatte, und er sprach völlig akzentfrei.
    Sie biss sich auf die Lippen, wandte das Gesicht ab und senkte den Kopf, sodass ihre dunklen Haare nach vorn fielen. Ihr blieb keine andere Wahl, als möglichst unterwürfig zu

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