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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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dein Fenster ’n bisschen runter«, sagte Terrible.
    »Aber es regnet.«
    Er blickte mit hochgezogener Augenbraue zu ihr hinüber. »Ich hab ja auch nich gesagt, dass du’s ganz aufmachen sollst.«
    Sie schienen durch ein Wohngebiet zu fahren. Man sah die Schemen nah beieinander stehender Häuser. Terrible hatte auf etwa fünfzig Stundenkilometer abgebremst. Wollte er vielleicht irgendwas aus dem Wagen werfen? Na ja, wie dem auch sei. Sie griff zur Kurbel und drehte sie einmal halb herum.
    »Was ist denn das für ein Geruch?«
    »Das ist das Meer.«
    »Riecht aber gar nicht nach Meer.«
    »Nee, es riecht nich wie die Bucht , die du so gewöhnt bist. Das ist das Meer, der richtige Ozean, Chess. Riecht das nich toll?«
    Oh ja. So etwas hatte sie noch nie gerochen. Ein durchdringendes, salziges Aroma, mit einem Anflug von faulem Fisch, wovon ihr normalerweise übel geworden wäre. Aber aus irgendeinem Grund empfand sie den Geruch als reinigend.
    »Werden wir den Ozean denn auch sehen?«
    »Ich schätz mal schon. Sieht so aus, als wohnt dein Freund direkt am Meer.«
    »Er ist kein Freund.«
    »Dann wollen wir mal hoffen, dass er auch kein Feind ist. Ich hab irgendwie ein ungutes Gefühl bei der Sache.«
    »Wie meinst du das?«
    »Nur so: Wir kennen den Mann nich. Du kennst ihn nich, und ich kenn ihn auch nich, und er weiß vielleicht viel zu viel über irgendeinen Scheiß, mit dem keiner, der auch nur halbwegs bei Vernunft ist, irgendwas zu tun haben will.« Er bog nach links auf einen Feldweg ab, der vermutlich auch an klaren Tagen kaum zu sehen war. Die tiefen Wagenspuren führten durch hohes, braunes Gras. Der Chevelle schaukelte wie ein schwerfälliger Käfer darauf entlang, bis Terrible schließlich vor dem Rand der Steilfelsen anhielt.
    »Da wärn wir«, sagte Terrible, und es klang nicht froh. Chess war klar, dass er Recht hatte. Sie wusste eigentlich gar nicht, weshalb sie so guter Laune war. Von Lex’ ausgezeichnetem Speed mal abgesehen, gab es für sie nicht allzu viele Gründe, guter Dinge zu sein. Edsels Mahnung, dass er nicht viel über Tyson wisse, fiel ihr wieder ein. Edsel war ihr Freund, und wenn er sagte, dass sie vorsichtig sein sollte, sollte sie das beherzigen.
    Dennoch war sie gut drauf. Oder zumindest nicht depressiv, was schon ein Triumph für sich war. Ob mit oder ohne Drogen, so gut hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Was aber auch hieß, dass sie schnell sicherstellen musste, nicht abrupt wieder auf den Teppich zu kommen.
    »Wart mal kurz.« Sie schloss ihr Fenster und zog das Tütchen von Lex und ihre Haarnadel hervor. »Willst du auch was?«
    »Nee danke. Ich bin hier draußen schon nervös genug. Das ist echt was anderes als die Stadt. Kommt einem so leer vor.«
    Sie zuckte mit den Achseln, pfiff sich einen kleinen Muntermacher rein und steckte dann alles wieder in ihre Tasche. Terrible kam um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Der frische Wind wehte ihr direkt ins Gesicht, und sie sog ihn und das Speed in einem tiefen Atemzug ein, der ihr ein Prickeln bis in die Zehenspitzen jagte.
    Und dann war da der Ozean, direkt voraus, erstreckte sich wie aufgerauhter grauer Samt in den Nebel hinein. Das Haar wehte ihr ins Gesicht. Sie strich es ungeduldig fort, schloss die Augen, reckte das Kinn vor und genoss den Wind.
    »Können wir kurz ans Wasser, wenn wir hier fertig sind? Bevor wir wieder fahren, meine ich?« Lächelnd wandte sie sich zu Terrible um, doch der senkte den Blick und fummelte in seiner Hemdtasche nach einer Zigarette.
    »Wenn du willst«, murmelte er und wandte sich ab, um sich Feuer zu geben. »Komm, bringen wir's hinter uns.«
    Das Kliff ragte über Tysons kleines Haus hinweg und beschirmte es ein wenig vor dem Regen. Chess kam es vor wie ein unter einem Strauch kauernder Troll, der jeden Moment hervorspringen konnte. In Windeseile verwandelte sich ihre gute Laune in angespannten Argwohn. Mit Edsels Mahnung im Ohr fragte sie sich, was Tyson wohl bei ihm kaufte. Und außerdem stellte sie fest, dass sie heilfroh war, Terrible bei sich zu haben.
    Dieses Gefühl nahm noch zu, als sie über die flachen Steine gingen, die den Weg zur Haustür bildeten. Jeder einzelne war mit Runen versehen, von denen Chess die meisten kannte. Einer jagte ihr ein ganz besonderes Kribbeln ins Bein.
    Auch der Türrahmen war mit Runen beschriftet und mit weiteren Symbolen, die tief ins Holz gekerbt waren. Es waren Totembilder und Buchstaben antiker Alphabete, Pentagramme und ... Es

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