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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Dennoch zog Chess ihr Messer. Das Amulett steckte in ihrer Tasche, aber das konnte der heimliche Besucher - sei es nun Doyle oder einer seiner Mitverschwörer - ja nicht wissen.
    Das Messer ausgestreckt vor sich haltend, stieß sie die Tür auf, aber in der Küche war niemand. Eine Minute lang blieb sie reglos im Eingang der Wohnung stehen, bis sie schließlich wieder Luft holen musste. Es war niemand da. Sie verhielt sich paranoid - kein Wunder angesichts der Umstände.
    Doch dieser Gedanke beruhigte sie kein bisschen. Denn irgendetwas stimmte hier nicht. Sie konnte sich nicht erinnern, dass das Schloss am Abend zuvor schon so leichtgängig gewesen war, und da war sie schon genauso auf der Hut gewesen wie jetzt auch. Und dieser Geruch - lag hier nicht ein seltsamer Geruch in der Luft? Roch es nicht irgendwie muffig und nach Schweiß?
    Sie hatte ein wenig aufgeräumt, ehe sie die Wohnung verlassen hatte, und war jetzt froh darüber, denn dadurch war ganz offensichtlich, dass hier erneut jemand herumgeschnüffelt hatte. Die auf der Armlehne der Couch abgelegten Bücher waren umgedreht worden, sodass sie nun mit dem Rücken zur Wand und nicht mehr zur Sitzfläche zeigten. Man hatte sich auch an ihren Papieren zu schaffen gemacht. Und der kleine Malachit, der sonst auf ihrem Bücherregal lag, war zu Boden gefallen. Sie bückte sich, zog die schwarze Holzschatulle hervor und klappte sie auf.
    Es schien alles noch da zu sein, war aber eindeutig durchwühlt worden. Ha! Das war keine tolle Neuigkeit, denn nun konnten sie sich denken, dass sie das Amulett bei sich trug, aber eine gewisse Genugtuung konnte sie sich nicht verkneifen, denn sie hatte ihnen erneut einen Strich durch die Rechnung gemacht. Obwohl sie dafür zweifellos einen Preis bezahlt hatte: Wenn sie auch nur lächelte, taten ihr Auge und Nase weh.
    Wohin sie auch sah, entdeckte sie kleine Hinweise, dass fremde Hände ihr Hab und Gut betatscht hatten. Sie bekam eine Gänsehaut. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie selbst mit groben, schmutzigen Fingern betatscht worden. Ihre Freude über den kleinen Sieg schwand, je mehr sie der schmerzlichen Realität gewahr wurde. Ihr Zuhause war alles, was sie hatte, der einzige Ort, der ihr gehörte - auch wenn er gemietet war. Das war ihre Privatsphäre. Das war der Ort, an dem sie allein sein konnte. Und nun war jemand in diese Privatsphäre eingedrungen und hatte sie ihr geraubt, wie ihr alles andere im Leben auch immer geraubt worden war.
    Sie wollte sich nicht mehr weiter umsehen. Sie wollte mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben. Sie wollte nur noch ins Bett.
    Doch dort wartete jemand auf sie.
    Er lag rücklings auf der Decke, die weit geöffneten Augen starr nach oben gerichtet, die Hände auf dem Bauch gefaltet. Chess starrte ihn an, mit stockendem Atem und staubtrockener Kehle. Der Anblick war kaum zu ertragen. Er hatte eine klaffende Wunde am Hals. In seine dürre, nackte Brust waren Runen geritzt, und auf der Stirn hatte er das Symbol der Lamaru, das wie ein Ausschlag wirkte.
    Brain war tot.

26
    »Die Versuchung ist groß, das Vortäuschen einer
    Geistererscheinung als einfache Methode des Gelderwerbs
    anzusehen. Schließlich hat die Kirche gelobt, uns zu
    beschützen und im Falle ihres Versagens Schadenersatz zu
    leisten. Doch seid gewarnt! Man würde euch auf die Schliche
    kommen. Die Debunker zählen zu den bestausgebildeten,
    klügsten und fähigsten Mitarbeitern der Kirche und lassen
    sich nicht so leicht hinters Licht führen.«
    Familie und Wahrheit, eine kirchliche Broschüre
    des Ältesten Barrett
    Sie eilte zur Tür und riss sie auf, während Terrible noch anklopfte. Es traf sie wie der Schlag, dass er plötzlich vor ihr stand.
    »Wo ... was?« Er trat den Schritt über die Schwelle und blieb abrupt stehen, während ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. »Haben sie dich gekriegt, Chess? Haben sie dir aufgelauert?«
    »Was? Nein, nein, hier ist keiner, ich -«
    »Wer war das? Wer hat dich geschlagen?«
    Was sollte sie ihm sagen? Sie hatte sich etwas zurechtgelegt, doch das verflüchtigte sich unter dem glühenden Zorn seines Blicks. »Ich bin einfach nur gestürzt, weiter nichts.«
    »Das war dieser Spießertyp, nich wahr? Dieser Doyle, mit dem du heut Nacht abgehaun bist. Der war's.«
    »Nein, ich -. Woher weißt du das?«
    »Ich hab dich beobachtet. Und ich dachte, du wärst in Sicherheit.« Er schüttelte den Kopf. »Dabei hab ich gewusst, dass ich dich nich einfach so abhauen lassen sollte.

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