Geisterflut
sie vorzuwarnen, doch andererseits schien ihm selbst die Kälte überhaupt nichts auszumachen. Als er sich links an der Wand postierte, war auf seinen nackten Armen nicht einmal Gänsehaut zu sehen.
Bump stand mitten im Raum, in einen Pelzmantel gehüllt. Er trug einen schwarzen Seidenzylinder auf dem struppigen Schopf und eine unnötige Sonnenbrille vor dem bleichen Gesicht.
»Na schau mal einer an! Miss Chess lässt sich doch tatsächlich mal blicken. Wieso ist mein verdammter Flugplatz noch nicht in Betrieb? Ich dachte, wir hätten eine Abmachung.«
Die Worte verursachten ihr Kopfschmerzen. Vielleicht lag es auch an der Kälte. Bump hörte sich jedenfalls an, als spräche er durch eine Blechbüchse, und ihr dröhnten die Schläfen.
»Das braucht Zeit, Bump«, brachte sie hervor.
»Bump hat aber keine Zeit. Er hat Lieferungen abzuwickeln. Die Pillen warten auf den Abflug, und die Knete wartet drauf, von ihm eingesackt zu werden. Wenn ich meine Pillen nicht kriege, kriegst du deine Pillen auch nicht. Klar?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, trat er beiseite und machte eine Armbewegung, als präsentierte er ein neues Auto.
Slipknots Leichnam lag auf einem Metalltisch, bis zur Brust mit einem groben, braunen Tuch bedeckt, das aussah, als hätte mal jemand Autoersatzteile darin verpackt und es anschließend in Sumpfwasser getaucht und ausgewrungen.
»Bump hat sich gedacht, vielleicht schaust du dir das noch mal an. Vielleicht siehst du dann ja alles, was du sehen musst. Was meinst du? Vielleicht hast du beim letzten Mal, wo’s ja auch ziemlich dunkel war, irgendwas übersehen. Oder du könntest Bump wenigstens mal erklären, womit wir es hier eigentlich zu tun haben.«
»Er ist... eine Art Hybrid-Geist«, brachte sie hervor und hatte das Gefühl, als wären ihre Füße am Boden festgefroren. Aber sie wollte reden, denn nur so konnte sie den Moment aufschieben, da sie sich die Leiche ansehen musste.
»Wie meinst du das - hybrid? Ein Mischmasch aus anderen Geistern oder was? Wie kann denn so was passieren?«
Chess blickte sich um und sah, dass Terrible den Mund aufmachte. Sehr gut. Sollte er das erklären. Ihr würde sonst noch schlechter werden, als ihr ohnehin schon war.
Slipknots Herz tat einen Grauen erregenden, glucksenden Schlag, als sie schließlich doch näher trat. Der Zustand seines Körpers hatte sich weiter verschlimmert, aber vielleicht kam ihr das auch nur so vor, da sie ihn bisher nur bei Sonnenuntergang gesehen hatte, wo der goldene Schein vielleicht manches abmilderte.
Totenbleiche, wächserne Haut, bedeckt mit einer dünnen glänzenden Schicht, die wie Öl aussah, wahrscheinlich aber irgendeine Körperausscheidung war, über die sie nicht nachdenken wollte. Die Kälte hatte die Verwesung verlangsamt, aber nicht gänzlich aufgehalten - was sie getan hätte, wenn er keinen Zauber gespeist hätte. Die Magie, die seine Seele gefangen hielt, wärmte seinen Leichnam gerade so weit, dass er nicht gefror.
Chess brannten Tränen in den Augen. Sie wollte irgendetwas sagen, irgendetwas tun, um ihm beizustehen, doch ihr fiel nichts ein. Seine Seele war zwar noch gegenwärtig, aber für keinerlei Kommunikation mehr zugänglich. Solange es Chess nicht gelang, sie zu befreien, konnte sie nichts für ihn tun. Vor lauter Schuldgefühlen schmerzte ihr die Brust, aber das nahm sie nur aus weiter Ferne wahr. Sie hatte nur einige wenige Pillen genommen, nicht mehr als sonst auch. Wieso fühlte sie sich dann so losgelöst von allem?
Ihr verschwamm die Sicht. Sie hob eine zittrige Hand, um sich die Augen zu reiben, doch ehe sie dazu kam, tat Slipknots Herz einen Schlag. Blutstropfen spritzten empor. Chess sah jeden einzelnen ganz deutlich. Dunkelrot hoben sie sich gegen den geschundenen Körper und die metallgrauen Wände ab und schienen eine Ewigkeit lang in der Luft zu schweben, ehe sie wieder hinabfielen und auf dem rohen Fleisch zerliefen.
»Chess?« Terrible klang, als spräche er aus einem anderen Zimmer zu ihr. »Alles okay mit dir?«
»Sehr seltsam«, bemerkte Bump. »Sein Herz hat sonst nur alle halbe Stunde mal geschlagen. Wieso schlägt es jetzt plötzlich öfter?«
Die Hand, die Chess gehoben hatte, um sich die Augen zu reiben, hielt sie sich nun vor den Mund, um nicht zu schreien, und drückte ihn so fest zu, dass es wehtat. Genau das hatte sie befürchtet, sie war sich sogar ziemlich sicher gewesen, und es hatte in dem Moment begonnen, da sie das verdammte Amulett fand und so dumm war, es zu
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