Geisterhafte Visionen
welchem Teil der Galaxis man sich auch befand: Ställe rochen immer gleich. Das nächste größere Gebäude wies eine weit geöffnete Doppeltür auf. Janeway sah hinein und erkannte eine Schmiede. Drei große Blasebälge hingen von der Decke herab; bedient wurden sie offenbar mit Hilfe von Pedalen. Zwei Drenarianer arbeiteten, schlugen mit Hämmern auf glühende Metallstücke. Raumschiffe werden hier bestimmt nicht gebaut, dachte Janeway.
Dieser Gedanke erinnerte sie an etwas.
»Mr. Tuvok, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage: Die Nähe der Televek zur subplanetaren Energiequelle kann wohl kaum ein Zufall sein?«
»Ja«, erwiderte der Vulkanier. »Ich bezweifle aber, daß die Televek jene Anlage kontrollieren. Oder daß es ihnen gelungen ist, sich Zugang zu ihr zu verschaffen. Dafür fehlt bisher jeder Hinweis.«
Janeway nickte. »In der Tat.«
»Aber sie bemühen sich auch weiterhin«, warf Kim ein.
Eine Frau mit drei Kindern wich beiseite, um sowohl die drei Fremden als auch die Schar hinter ihnen passieren zu lassen.
Niemand schien daran interessiert zu sein, ihnen den Weg zu versperren, aber es geriet auch niemand in Panik, was Janeway ein wenig überraschte. Sie richtete entsprechende Worte an Tuvok und Kim.
»Einem solchen Volk bin ich nie zuvor begegnet«, meinte der Vulkanier.
»Ich auch nicht«, fügte Kim hinzu und lächelte schief.
»Allerdings ist die Voyager auch meine erste Mission.«
»Das haben wir nicht vergessen«, versicherte ihm Janeway.
»In physiologischer Hinsicht sind die Drenarianer nicht annähernd so weit entwickelt wie zum Beispiel Menschen«, sagte Tuvok. »Trotzdem gibt es hier Erfindungen und Konzepte, die weit über das hinausgehen, was bei den frühen Menschen –
und auch bei meinen Vorfahren – üblich war.«
»Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, daß die Bewohner dieses Planeten durch einen externen Einfluß manipuliert werden«, gab Kim zu bedenken.
»Ja«, räumte Tuvok ein. »Ich gehe jedoch von einer besonders hohen Intelligenz der Einheimischen aus.«
»Eine interessante Theorie, Mr. Tuvok«, sagte Janeway und fand Gefallen an dieser Vorstellung. Beim Menschen – und bei allen anderen hochentwickelten Spezies, denen die Menschheit inzwischen begegnet war – stellte die Intelligenz einen evolutionären Vorteil dar, eine Fähigkeit, die das Überleben erleichterte und es den damit ausgestatteten Geschöpfen ermöglichte, auf der Leiter der natürlichen Auslese einige Sprossen höher zu klettern. Bei den Drenarianern lief dieser Vorgang nur schneller ab. Sie hatten schon Beachtliches erreicht und würden es sicher weit bringen – vorausgesetzt, ihre Welt gab ihnen Gelegenheit dazu.
»Können Sie sich Neandertaler vorstellen, die derartige Siedlungen errichten und eine so gut organisierte
Landwirtschaft betreiben?« fragte Kim.
»Die Drenarianer sind wirklich ein bemerkenswertes Volk«, sagte Janeway. »Sie verdienen es, eine Zukunft zu haben.
Unglücklicherweise scheint dieser Planet anderer Auffassung zu sein.«
»Die Gefahren gehen nicht nur von der Umwelt aus, Captain«, ließ sich Tuvok vernehmen. »Bisher sind die Drenarianer von den Televek weitgehend in Ruhe gelassen worden, aber das muß nicht unbedingt so bleiben.«
»Ja. Vielleicht sollten wir ihnen dabei helfen, die Verteidigung zu organisieren.«
»Nan Loteth gehört nicht zu den Anführern dieses Volkes.«
Bei diesen Worten wandte sich Kim halb von dem vor ihnen gehenden Drenarianer ab. »Allerdings scheint man ihn als eine Art Weisen zu respektieren.«
»Es gibt hier Delegierte, die sich versammeln und einen regierenden Rat bilden, der Gesetze verabschiedet und mehrere regionale Oberhäupter unterstützt«, erklärte Tuvok. »Ich glaube, Nan Loteth gehört zu den Delegierten.«
»Das erinnert mich an die Irokesenföderation«, meinte Janeway.
Der Vulkanier musterte sie kurz. »Mit diesem Begriff bin ich nicht vertraut.«
»Die Irokesenföderation bestand aus den sechs Nationen der Onondaga, Mohawk, Seneca, Cayuga, Oneida und Tuscarora«, erwiderte Janeway. »Es handelte sich um Stämme der
amerikanischen Ureinwohner. Ihr Zusammenschluß garantierte den Frieden in einer großen Region. Als man die Verfassung der Vereinigten Staaten entwickelte, griff man auch auf die Ideen der Indianer zurück.«
»Ich schätze, diese Diskussion hätte Chakotay sehr gefallen«, sagte Kim.
»Wir erzählen ihm davon, wenn wir ihn wiedersehen«,
entgegnete Janeway. »Aber bevor wir dazu
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