Geisterhauch (German Edition)
Ich fühlte mich wichtig. Berühmt. Erhaben. Oder hätte ich zumindest, hätte nicht Scharf auf meinem Hintern gestanden.
Im Unterschied zu mir waren meine Besucher geschniegelte Gentlemen in der Kleidung der Erfolgreichen im angemessenen Anthrazit. Ich überlegte, ob ich ihnen raten sollte, kein Rot zu tragen, aber nicht jeder ließ sich in Modefragen gern von einer Tussi in T-Shirt und Boxershorts beraten.
Nachdem ich meinem Kaffee dank Sahne und Zucker die Farbe von flüssigem Karamell gegeben hatte, schlenderte ich zum Sofa gegenüber vom Boss, ließ mich darauf nieder und richtete meinen berüchtigten Mörderblick auf ihn.
»Okay«, sagte ich nach einem langsamen, genüsslichen Schluck, »Sie haben einen Versuch. Nutzen Sie ihn.«
Der Mann tippte grüßend an den Hut, dann senkte er den Blick auf die Aufschrift auf meinem T-Shirt. Ich hoffte, sie würde keinen falschen Eindruck von mir erwecken. Vertrottelt bezeichnete nicht ganz das Image, das ich mir geben wollte. Hätte da Hartgesotten gestanden…
»Miss Davidson«, sagte er selbstsicher und ruhig. »Mein Name ist Frank Smith.«
Das war glatt gelogen. Nicht, dass es eine Rolle spielte. »Okay, danke für Ihren Besuch. Kommen Sie mal wieder, wenn Sie mehr Zeit zum Quatschen haben.« Ich stand auf, um sie hinauszugeleiten. Der Gefährliche straffte sich und erregte in mir den Verdacht, dass er nicht bloß mitgekommen war, um seinen Boss zu beschützen. Mist. Auf Foltern stand ich überhaupt nicht. Das war so quälend.
»Bitte setzen Sie sich, Miss Davidson«, sagte Mr Smith, nachdem er seinen Mann mit einer Geste gestoppt hatte.
Ich gehorchte, aber nur, weil er mich darum gebeten hatte. »Sie kennen meinen Namen, und ich kenne Ihren. Könnten wir jetzt zur Sache kommen?« Während er mich betrachtete, trank ich noch einen langsamen Schluck.
»Sie sind erstaunlich ruhig.« Er wurde ernst. »Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen beeindruckt. Die meisten Frauen …«
»… sind so vernünftig, sich in ihrem Schlafzimmer einzuschließen und die Polizei zu rufen. Bitte, verwechseln Sie einen unterentwickelten Sinn für Selbstschutz nicht mit Intelligenz, Mr Smith.«
Der Gefährliche knirschte mit den Zähnen. Er mochte mich nicht. Oder ich hatte ihn mit meiner großen Rede eingeschüchtert. Ich tippte auf Letzteres.
»Das ist Mr Chao«, sagte Smith, als er mein Interesse bemerkte. »Und das ist Ulrich.«
Ich warf einen Blick über die Schulter. Ulrich nickte. Alles in allem waren sie ganz freundlich. »Und Sie sind hier, weil …?«
»Ich finde Sie faszinierend«, antwortete er.
»Äh, danke. Aber im Ernst, eine SMS hätte genügt.«
Mit einem gemächlichen Grinsen nahm er jeden Gesichtsausdruck und jede Geste meinerseits in sich auf. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass er mich studierte, sich einen Gesamteindruck verschaffte, um später unterscheiden zu können, ob ich ihn übers Ohr hauen wollte oder nicht.
»Ich habe mich eingehend über Sie erkundigt«, sagte er. »Sie haben ein interessantes Leben geführt.«
»Das finde ich auch.« Ich beschloss, mich hinter meiner Tasse zu verstecken, damit meine Reaktion auf seine Fragen nicht so offensichtlich ausfiel. Die Augen gaben zwar viel preis, aber der Mund verriet selbst den besten Lügner. Auf diese Weise würde er höchstens halbwegs erkennen können, ob ich log. Das hatte er davon.
»College, Friedenskorps, und nun eine Detektei.«
Ich zählte an den Fingern mit. »Ja, so ungefähr.«
»Aber wo Sie auch sind, passieren …« Er blickte auf und suchte nach den richtigen Worten, ehe er mich wieder ansah. »… gewisse Dinge.«
Ich hielt inne und versuchte meine Erwiderung bewusst abzuschwächen, sozusagen um das Wässerchen zu trüben. »So ist das mit Dingen. Sie passieren.«
Ein anerkennendes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Ich würde nichts Geringeres von Ihnen erwarten, Miss Davidson. Wie Sie wohl auch nichts anderes als brutale Ehrlichkeit von mir erwarten.«
»Ehrlichkeit wäre nett.« Ich warf einen Blick zu Mr Chao. »Brutalität ist nicht nötig.«
Leise lachend schlug er die Beine übereinander und ließ sich tiefer in den Sessel sinken. »Dann also Ehrlichkeit. Mir scheint, Sie und ich suchen nach derselben Person.«
Ich wölbte fragend die Brauen.
»Mimi Jacobs.«
»Nie gehört.«
»Miss Davidson«, sagte er mit einem beschämenden Blick durch dichte Wimpern. »Wollten wir nicht ehrlich sein?«
»Sie wollten ehrlich sein. Ich möchte professionell sein. Ich darf
Weitere Kostenlose Bücher