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Geisterhauch (German Edition)

Geisterhauch (German Edition)

Titel: Geisterhauch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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heraus, stand ich unter Schock. Ich schlug mir die Hände vor den Mund und starrte lange ins Leere.
    Reyes würde mich dafür umbringen. Er würde mich mit seiner blinkenden Klinge in Scheiben schneiden. Das war sonnenklar. Nein, Moment. Es gab vielleicht noch einen Ausweg. Ich richtete meinen entsetzten Blick auf Neil. Offensichtlich war er hinsichtlich der Einzelhaft noch unentschlossen.
    Ich ließ die Hände sinken und lachte. Oder versuchte es zumindest. Leider klang ich wie ein ertrinkender Frosch. Ich war völlig aus der Fassung, verlegen. »War ein Witz«, sagte ich und brachte es trotz der Aussicht auf den sicheren Tod kaum heraus. Ich boxte ihn gegen den Arm. »Du weißt ja, wie man reagiert, wenn man in die Einzelzelle soll. Man redet den größten Blödsinn.«
    Als ich mich umdrehte, um mich wieder hinzusetzen – und, ohne dass er es mitbekam, mit offenem Mund über meine eigene Blödheit zu staunen –, sagte er: »Das war kein Witz.«
    »Pfff! Sicher war das ein Witz. Das glaubst du doch nicht im Ernst! Der Sohn Satans?« Kichernd setzte ich mich auf den Stuhl. »So. Wo waren wir stehengeblieben?«
    »Wie ist das möglich?« Benommen ging er hinter seinen Schreibtisch. »Im Ernst, wie kann das sein?«
    Verdammter Mist. Ich zappelte auf meinem Stuhl wie ein Karpfen auf dem Trocknen und verriet mich damit restlos. Schließlich stand ich auf und beugte mich über seinen Schreibtisch. »Wirklich, Neil, das darfst du keinem weitersagen.«
    Die Verzweiflung in meinem Ton holte ihn aus der Benommenheit. Er sah mich mit großen Augen an und furchte fragend die Stirn.
    »Wenn es etwas in deinem Leben gibt, das du keiner Menschenseele erzählen darfst, Neil, dann das. Ich weiß nicht, was Reyes tut, wenn er erfährt, dass du Bescheid weißt. Ich meine«, ich drehte mich weg und ging ein paar Schritte, »ich glaube nicht, dass er dir was antut. Wirklich nicht. Aber sicher sein kann man da auch nicht. Sein Verhalten ist in letzter Zeit … unberechenbar.«
    »Wie ist das möglich?«, fragte er wieder.
    »Na ja, er steht unter Stress. Und wird gefoltert.«
    »Der Sohn Satans?«
    »Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte ich. Heiliger Strohsack, da hatte ich ja was angerichtet. »Du darfst kein Sterbenswörtchen davon verlauten lassen.« Ich hatte schon den Fehler begangen, es Cookie zu erzählen, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Und jetzt auch noch Neil? Warum schaltete ich nicht gleich eine Anzeige in der New York Times ? Stellte eine Plakatwand an die I-40? Ließ es mir auf den Hintern tätowieren?
    »Charley«, sagte Neil, der als Erster wieder zu sich kam. »Ich habe verstanden. Kein Wort. Ich weiß, wozu er fähig ist, erinnerst du dich? Ich habe nicht vor, seinen Zorn auf mich zu ziehen. Versprochen.«
    Mächtig erleichtert sank ich auf meinen Stuhl.
    »Aber wie ist das möglich?«, fragte er zum dritten Mal.
    Ich konnte nur mit den Achseln zucken. »Nicht mal ich kenne alle Details, Neil. Es tut mir wirklich leid, dass ich es dir gesagt habe. Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört, wirklich.«
    »Schlimm?«, wiederholte er erstaunt. »Warum sollte das schlimm sein?«
    »Äh –« Ich dachte einen Moment nach. »Ist das eine Fangfrage?«
    »Zufällig weiß ich, dass er ein guter Mensch ist, Charley. Nur weil sein Vater durch und durch böse ist, muss er das noch lange nicht sein. Weißt du, was das Böse wirklich ist?«, fragte er.
    Ich zog die Brauen hoch.
    »Wenn Amerikaner vom Bösen reden, meinen wir meistens Niedertracht, Grausamkeit und Brutalität. Aber das ist es nicht. Das ist nur unsere Auffassung davon.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Das Böse ist die Abwesenheit des Guten, die Abwesenheit Gottes.«
    So hatte ich das noch nie gesehen. »Du weißt also, dass Reyes nicht schlecht ist.«
    »Natürlich.« Er sagte das, als wäre ich ein Volltrottel. »Aber stimmt das wirklich? Ist er sein Sohn?«
    »Ja«, bestätigte ich voller Bedauern. »Das ist er wirklich.«
    »Das ist toll, wirklich toll.«
    »Toll?«
    Neil grinste. »Ja, toll.«
    »Ich verstehe nicht. Wieso ist das toll?«
    Er lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. »Von dem Moment an, da du vorige Woche … nein, ich nehme das zurück. Von dem Moment an, da Reyes in mein Leben trat, habe ich vieles infrage gestellt, also seit zehn Jahren. Ich habe mich gefragt, ob es wirklich eine höhere Macht gibt, ob es den Himmel gibt, ob Gott existiert. Das lag zum Teil daran, dass ich Tag

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