Geisterhauch (German Edition)
Riesengefallen schuldig«, rief ich ihr hinterher. Dann drehte ich mich zu unserem Kofferraumtypen, äh, zu Officer Brandt um. »Sie sind also nicht verrückt?«
Ein Grinsen so geil wie Sündigen am Sonntag erschien auf seinem Gesicht, und plötzlich sah er richtig attraktiv aus. Klar, er hatte fettige Haare und so weiter, aber seine Augen waren hammermäßig.
»Und was ist mit den Duschbesuchen?«, fragte ich beinahe ängstlich.
Sein Grinsen wurde breiter, und ich wusste nicht, ob ich blass oder rot werden sollte. Ich war noch nie von einem Toten so hinters Licht geführt worden.
»Sie können durch mich auf die andere Seite«, sagte ich noch immer freundlich.
»Kann ich das?« Sein Ton war sarkastisch. Er wusste es längst. Dann trat er auf mich zu. »Kann ich Sie vorher küssen?«
»Nein.«
Leise lachend griff er um meine Taille, zog mich an sich und beugte den Kopf vor. Ich keuchte leise, als seine Lippen meinen Mund berührten, dann war er weg.
Wenn Leute durch mich hinübergingen, fühlte ich ihre Wärme, sah ihre liebsten Erinnerungen und roch ihre Aura. Nachdem er verschwunden war, zog ich meinen Pulloverkragen hoch, um seinen Geruch noch mal einzuatmen. Er roch nach Zuckerwatte und Sandelholz. Ich atmete tief und hoffte, ihn nie zu vergessen. Als er zwölf gewesen war, riskierte er einmal sein Leben, um einen Nachbarjungen vor einem bissigen Hund zu retten, und musste danach selbst mit siebenundzwanzig Stichen genäht werden. Es grenzte an ein Wunder, dass er und der Junge überlebt hatten. Aber er hatte immer schon Menschen retten wollen. Am liebsten die ganze Welt. Dann kam eine betrunkene Vorschullehrerin namens Carrie Liedell und raubte uns einen von den Guten.
Und er blieb verloren zurück. Drei Jahre lang wusste er nicht mehr, wer er war, was er immer hatte sein wollen. Bis Cookie den Kofferraum öffnete und mein Licht ihn traf, lag er verwirrt im Dunkeln. Mein Licht ließ ihn wieder klar sehen. Die Schnitterin zu sein bedeutete vielleicht mehr, als die Legende mich glauben lassen wollte. Ich war Cookie eine Margarita schuldig. Absolut.
»Küssen Sie die Toten jedes Mal?«, fragte Garrett.
Ich hatte ganz vergessen, dass er da war. »Ich habe ihn nicht geküsst«, sagte ich abwehrend. »Er ist durch mich hinübergegangen.«
»Ja, klar.« Er rempelte mich an, als er an mir vorbeiging. »Erinnern Sie mich, dass ich das auch tue, wenn ich sterbe.«
14
Manche Mädchen tragen Prada und manche eine federgelagerte halbautomatische Glock 17 mit Rückstoßlader,
Ladungsanzeige und rutschfreiem Griff.
– T-Shirt-Aufdruck
Einen seligen Moment lang hatte ich vergessen, dass Reyes tot sein könnte und ich ihn nie wiedersehen würde. Sowie ich in den Jeep stieg und mich auf den Heimweg machte, legte sich die Sorgenlast wieder auf mich. Ich konzentrierte mich darauf, zu atmen und kein anderes Fahrzeug zu streifen. Es war sechs Uhr durch, als ich wieder im Büro war. Ich verzichtete darauf, meinen Dad zu besuchen. Das Krankenhaus hatte ihn entlassen, er war zu Hause. Ein Besuch würde eine langwierige Fahrt in die Heights bedeuten, und nachdem ich in der Nacht nur vier Stunden unruhig geschlafen hatte, war ich schon mittags nicht mehr besonders frisch gewesen. Also überlegte ich mir, ihn am nächsten Morgen zu besuchen. Nach einem langen, erholsamen Nachtschlaf.
Cookie wollte noch ein bisschen arbeiten und hörte gerade den AB ab, als ich mich verkrümelte. Ubie hatte eine Nachricht hinterlassen, wo Cookies Wagen stand und dass er meine Aussage brauchte. Hatte ich ihm die nicht gegeben? Dieser Mann war nie zufrieden.
»Schaffst du es nach Hause?«, fragte Cookie mit kritischem Blick.
»Sehe ich nicht so aus?«
»Willst du die Wahrheit hören?«
»Ich schaffe es«, versicherte ich grinsend.
»Okay. Was hältst du von Mistress Marigold?«
»Unglaublich.« Ich schüttelte verwundert den Kopf. »Wieso kommt sie mir ausgerechnet mit dem Sohn Satans?«
»Das wüsste ich auch gern. Ich habe dich gerade unter einer weiteren E-Mail-Adresse angemeldet und ihr geschrieben. Du musst ab und zu mal reinsehen.« Sie reichte mir einen Zettel mit dem Benutzernamen und dem Passwort. Dann sah sie mich mitfühlend an. »Es geht ihm gut, Charley, ganz bestimmt.«
Bei dem bloßen Gedanken an Reyes blieb mir die Luft weg. Bevor ich blau im Gesicht wurde, beschloss ich, das Thema zu wechseln. Blau stand mir nämlich nicht besonders. »Mistress Marigold ist bloß eine Verrückte. Und ich glaube, Mimi hält sich
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