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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Nase in gewisse Dinge hineinstecken, und sie wird diese Dinge aufrühren, wenn niemand bei ihr ist, der sie bremst. Aleytys mißtraut den Gesellschaften und verachtet sie, und sie wollen diese Angelegenheit auf einer der bestbewachtesten Gesellschafts-Welten, die ich kenne, beilegen. Ich möchte dich an ihrer Seite haben, Mari.
    Ich weiß, du kannst sie zu nichts zwingen. Ich möchte nur, daß du sie daran erinnerst, was sie zu tun hat. Tu dein Bestes.”
    ,,Mein Bestes, ha!” Ein letztes Mal zupfte sie die Bluse zurecht, dann trat sie auf die weite, ordentlich geschnittene Rasenfläche hinaus. Jenseits hiervor, auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung, sah sie den Bach, dessen Lied sich mit den Tönen der Minstrelharfe und der Stimme der rothaarigen Frau bei dem vereinzelt wachsenden Tolganek vermischte. Sie saß auf einer knorrigen Wurzel, den Rükken gegen den Baumstamm gelehnt, und dunkle Äste neigten sich tief zu ihrem Kopf herunter. Ein schwarzhaariger Mann lag nahe ihren Füßen im Gras ausgestreckt, ein großer Mann in einer abgenutzten Bordkombination, mit einem narbigen Gesicht und kurzem, schwarzem Bart. Tamris zögerte, als Aleytys zu singen aufhörte und auf den Mann hinablächelte -ein Strom der Zuneigung pulsierte zwischen ihnen, so stark, daß sie die Wärme selbst dort, wo sie stand, deutlich spüren konnte. Bestimmt nicht Grey, dachte sie. Wer dann?
    Aleytys schaute auf, sah Tamris und winkte sie näher. Tamris setzte sich mit einem tiefen Atemzug in Bewegung, und plötzlich irritierte es sie, unter zwei Augenpaaren heranmarschieren zu müssen. Die Harfe war beiseite gelegt, und Aleytys’ Hände waren in ihrem Schoß gefaltet. Den Kopf hatte sie gegen die rauhe Rinde des Tolganek zurückgelehnt, ihre langen, feinen, rotgoldenen Haare wehten um ihr Gesicht. Wenn man ihr persönlich gegenüberstand, war sie eigentlich nicht hübsch, doch ihr Gesicht paßte auf eine Art und Weise zu ihr, wie es Tamris selten gesehen hatte - ihre Mutter, Grey, einige ihrer Lehrmeister hatten dieses Aussehen gehabt, dieses Aussehen, von hinten in das Gesicht hineingewachsen zu sein, so daß sie wie aus einem Stück waren, stark, kräftig, gefährlich bezaubernd. Sie trug ein langes, locker sitzendes Gewand mit weiten Ärmeln, dessen weicher Stoff sich in anmutigen Wellenlinien um die Anhöhen und Vertiefungen ihres Körpers schmiegte. Die bloßen Füße ruhten golden auf dem Grün des Rasens. Tamris bemerkte den amüsierten grauen Blick des Mannes und sagte forsch: „Tamris Heldeen, auszubildender Jäger.”
    Aleytys schmunzelte. „Suchen Sie sich einen Platz, und setzen Sie sich. Ich schätze, ich sollte mich für die Formwidrigkeit entschuldigen, aber dieser Tag versprach so schön zu werden, daß ich es nicht aushalten konnte, drinnen zu bleiben. Außerdem bin ich sowieso nicht sehr gut, was Höflichkeitsformen angeht.”
    Tamris starrte zu dem Mann hinunter, verwirrt durch sein Eindringen in Angelegenheiten der Jäger. Sein Gesicht war dunkel gebräunt, narbig und verbraucht, doch seine hellen grauen Augen lachten ihr zu. Träge wälzte er sich auf den Bauch. Ihn anzusehen bereitete ihr Unbehagen. Sie ließ sich hastig und, wie sie hoffte, ordentlich nieder.
    Hinter dem Baum strich das Wasser des Baches säuselnd um die darin verstreuten Felsbrocken und Wurzeln. In der Ferne klingelten die Windglöckchen, und über ihnen stieß ein Sakar seinen rauhen Jagdschrei aus und stieg in übereinanderliegenden Schleifen hoch in das kristallklare Blau empor.
    Tamris wartete und schwieg hartnäckig, ein brennendes Gefühl in sich, daß diese Zusammenarbeit nicht funktionieren würde. Alles war falsch, nichts so, wie sie es für sich geprobt hatte. Sie fühlte sich nicht frisch und zuversichtlich, nein, sie fühlte sich unsicher wie ein Kind, das plötzlich in eine Party von Erwachsenen hineingestoßen wurde, ohne die Regeln der von ihnen gespielten Spiele zu kennen.
    Aleytys war auch nicht so, wie sie erwartet hatte - oh, ihr Gesicht war ziemlich vertraut… bis auf diesen verträumten Zug, und es schien unmöglich, daß sie all diese Dinge vollbracht hatte, von denen Tamris wußte. Sie erweckte mehr den Eindruck, als gehöre sie irgendeinem Harem an, wo sie sich auf seidenen Laken tummeln konnte - Tamris blinzelte und fing ihre abschweifenden Gedanken wieder ein. Das war absurd.
    Der Mann gluckste, ein überraschendes Geräusch, das durch die sich verdichtende Stille perlte. „Benimm dich, Lee.”
    Aleytys

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