Geisterjagd
hatte.
In all dem Chaos hatte er den Fremden und die zwei forastcerdos aus den Augen verloren. Nervös hielt er nach ihnen Ausschau, ob er sie in der Nähe des Tresens entdeckte, aber sie waren nirgends zu sehen. Plötzlich erblickte er die drei, wie sie zusammen Kurs auf die Ausgangstür nahmen. Sie hatten den Raum schon halb durchquert; der Fremde ging voran. Einer der Raumfahrer schien verletzt oder vielleicht auch betrunken zu sein und musste von seinem Kameraden gestützt werden.
Spontan entschied Emilio, auf das Schauspiel der Balgerei, die immer noch in schönstem Gange war, zu verzichten, und lieber dem Trio zu folgen, dessen Anwesenheit den Streit überhaupt erst entfacht hatte. Er stand auf, flitzte die paar Stufen hinunter, hüpfte über die Absperrkette und trat dann über eine bewusstlose Person, die am Fuß der Treppe lag und alle viere von sich streckte. Nicht weit entfernt gab es eine Seitentür, aber auf dem Weg dorthin wurde er behindert, weil er ständig miteinander ringenden Gestalten ausweichen und sich unter wirbelnden Fäusten wegducken musste. Fest entschlossen, den Fremden und seine Kumpane nicht aus den Augen zu verlieren, tänzelte er wie besessen hin und her, um schließlich in die Nacht zu entwischen, ohne in den Kampf verwickelt worden zu sein.
Er sauste um die Ecke zur Vorderseite des Gebäudes, gerade als Miguel und die anderen gamberros nach draußen stürmten und dem sich verziehenden Trio Drohungen hinterherbrüllten. Danach begann die wilde Jagd, weil plötzlich alle zu rennen anfingen.
Vor Begeisterung lachend, trabte Emilio im Kielwasser der gamberros los und holte den Letzten der Meute ein, der zufällig Miguel war.
»Hey, großer Mann, was ist los?«, rief er ihm zu. »Warum interessierst du dich so für diese forastcerdos?«
Sie waren um mehrere Ecken gefegt und nun außer Sichtweite der Bar. Miguel konnte mit den anderen Kerlen, die das Trio verfolgten, nicht Schritt halten, und es war augenfällig, dass er trotz seiner mächtigen Muskeln und der gewaltigen Körperkraft dieser Art von Anstrengung nicht gewachsen war.
»Warte einen Moment … Emilio …«, keuchte er und blieb stehen. »Lass uns … eine Sekunde lang … verschnaufen … dann erzähl ich’s dir.«
Also machten beide Halt. Miguel winkte Emilio zu sich, dann beugte er sich vor, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern, als wolle er ihm das größte Geheimnis der Welt verraten.
»Weißt du, dieser große forastcerdo, der vor den beiden anderen herlief, hat geholfen …«
Weiter ging der Satz nicht. Emilio merkte, wie Miguels Arm plötzlich vorschnellte, ehe eine wahre Explosion von Schmerzen sein ganzes Bewusstsein überschwemmte. Er starrte hinunter und sah das Blut, sein Blut, und das Messer in Miguels Faust, das nach vorn stieß, um sich ein zweites Mal in seinen Bauch zu bohren.
Die Schmerzen waren unerträglich; ein glühend heißes Feuer, das sich von der Wunde ausbreitete und jeden Teil seines Körpers durchdrang. Sein Herz fühlte sich schwer an, und sogar seine Haarwurzeln schienen in dieser fürchterlichen, alles verdrängenden Agonie zu brennen. Wie konnte das passieren?
Seine Beine knickten unter ihm ein; er spürte, wie seine Knie auf den Boden prallten.
»Das kriegst du, weil du meine Frau gefickt hast, du kleiner Scheißer.« Miguels Gesicht, das groß über ihm aufragte, war vor Wut verzerrt. »Hast du wirklich geglaubt, ich würde es nicht herausfinden?«
Entsetzt starrte Emilio zu dem bulligen Kerl hoch; er wollte nicht verstehen, was geschah, wollte es nicht glauben.
Das Leben war nicht fair, aber so grausam konnte es doch auch nicht sein. Endlich hatte er Geld, genug, um diese stinkende Welt zu verlassen. Das Ganze konnte doch nicht so enden, nicht jetzt, nicht, wenn er einen Ausweg gefunden hatte.
Etwas klatschte gegen seine Wange: der Boden. Sein Kopf war so schwer, dass er ihn nicht mehr hochheben konnte. Er versuchte zu sprechen, aber sein Mund weigerte sich, die Worte zu formen. Die Schmerzen wurden immer stärker, löschten alles andere aus, trübten seinen Blick und seine Gedanken. Die Worte glitten von seiner Zunge und verebbten, wichen für ihn unerreichbar zurück.
Wie aus unendlich großer Ferne hörte er jemanden rufen – war das Miguels Stimme? »Schnell, zu Hilfe, jemand soll einen Arzt holen; hier liegt ein Junge mit einem Messer im Bauch. Er ist schwer verletzt.«
Die Stimme wurde ständig leiser, bis die letzten Worte kaum mehr als der Nachhall eines Flüsterns
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