Geisterjagd
sicher fühlen, wenn sie wohlbehalten im Shuttle saßen und Frysworld für immer hinter sich ließen. An irgendeinem Punkt hatte er eingesehen, dass sich ihre Abreise nicht vermeiden ließ. Dieser Ort hatte sich in ein feindliches Territorium verwandelt; er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie überall von Feinden umzingelt waren und es nur eine Frage der Zeit war, bis sie zuschlugen.
»Glaubst du, wir schaffen es?«, fragte Jim, in der Hoffnung, ihm ein bisschen Mut zu machen.
»Wir müssen es versuchen, dann werden wir es schon früh genug erfahren.«
Sie hatten Drevers jetzt in die Mitte genommen und stützten ihn beide, und Kyle konnte kaum glauben, wie schwer sein Schiffskamerad war. Nur die Götter mochten wissen, wie Jim es geschafft hatte zu rennen, während er ohne Hilfe so viel totes Gewicht trug. Als sie weiterstapften, richtete sich sein Ärger über ihre missliche Lage zunehmend gegen den Mann, den er nun gezwungenermaßen mit sich schleppte. Warum hatte dieser dämliche Trottel nicht seine Klappe halten können? Kyle hätte sich jetzt in einem weichen Bett entspannen können, vielleicht sogar mit erquicklicher weiblicher Gesellschaft, anstatt durch fremde Straßen zu trotten und sich mit dem Idioten abzuquälen, der Schuld an diesem Desaster war.
Er bemühte sich, nicht daran zu denken, denn er wusste, dass er unter Umständen versucht sein würde, Drevers zurückzulassen und ihn Marlowes Schlägern auszuliefern. Um sich abzulenken, wollte er mit Jim ein Gespräch anfangen. »Was ist mit deinem Gepäck?«, war das Beste, was ihm einfiel.
»Kein Problem. Meine wichtigsten Sachen trage ich immer bei mir; der Rest sind nur Kleidungsstücke und irgendwelche Kram, der sich leicht ersetzen lässt.«
Diese Einstellung konnte Kyle ohne Weiteres nachvollziehen, denn als er die Lady J verließ, hatte er dieselbe Entscheidung treffen müssen.
Endlich erreichten sie den Raumhafen und ließen sich in eine an den Seiten offene Bahn fallen, die sie zum ungepflegteren Ende des Shuttle-Terminals brachte. Liegeplätze kosteten Geld. Wie es mit den meisten Dingen hier war, bekam man umso mehr geboten, je mehr man bezahlte, und sie hatten ihre Mittel für andere Dinge ausgeben wollen.
Zu dieser Stunde benutzten nur wenige Leute die Bahn – es war entweder zu früh, um nach einer nächtlichen Tour zum Schiff zurückzukehren, oder zu spät, um noch daran denken zu können, den Planeten zu verlassen –, und diejenigen, die mit ihnen fuhren, zuckten nicht mit der Wimper, als sie den halb bewusstlosen Drevers sahen. Vermutlich waren komatöse Passagiere nicht ungewöhnlich in dieser Bahn.
Nachdem sie ausgestiegen waren, hielten sie wieder ihre gefälschten IDs hoch, und man gestattete ihnen unverzüglich den Zugang zu den Shuttle-Buchten. Keiner fragte sie, warum sie so kurz nach ihrer Ankunft wieder abreisten, noch nahm man Anstoß an dem zusätzlichen Crewmitglied – die Behörden interessierten sich nicht dafür, solange die bürokratischen Details in Ordnung zu schienen.
Um zum Shuttle zu gelangen, mussten sie durch einen matt beleuchteten, hohen Korridor aus Beton und Stahl laufen. Wenigstens hatte Drevers sich ein bisschen erholt und war imstande, aus eigener Kraft zu gehen, mit nur minimaler Unterstützung.
Kyle war müde. Drevers’ Besinnungslosigkeit mit den damit zusammenhängenden Konsequenzen hatte zusätzlich an seinen Kräften gezehrt. Nun, da die überstürzte Flucht offensichtlich vorbei war, sank der Adrenalinpegel in seinem Blut und ließ ihm keine Energiereserven mehr. In diesem Augenblick hatte er nur noch den einzigen Wunsch, sich an Bord des Shuttles zu begeben, damit er sich hinsetzen und ausruhen konnte. Doch das letzte Wegstück schien eine Ewigkeit zu dauern, außerdem fiel Jim ihm auf die Nerven, der dauernd Fragen stellte, die Kyle lästig fand. Sein Hauptanliegen war gewesen, Drevers zum Shuttle zu befördern. Jetzt, wo das Ziel erreicht war, konnte sich der Hüne von ihm aus mit Marlowe anlegen, wenn er es sich zutraute, deshalb gab er ausweichende Antworten und erklärte dem Söldner halbherzig, er müsse sich in Geduld üben.
Nach einer geraumen Weile gelangten sie an die hohe grau Tür mit der Aufschrift »SB43«, und der Leitstreifen auf ihrer Abflugkarte leuchtete grün auf. Kyle fing gerade an, sich zu entspannen, indem er sich vergegenwärtigte, dass sie Marlowes Spießgesellen tatsächlich entkommen waren und von hier an nichts mehr schiefgehen konnte, da löste
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