Geisterjagd
Frysworld, um sich zu vergnügen; ehrlicherweise konnte er nicht behaupten, dass seine zweite, konfuse und wie in einen dichten Nebel getauchte Nacht auf diesem Planeten, ihm großes Vergnügen bereitet hatte, und die höllischen Kopfschmerzen, mit denen er am Morgen danach aufwachte, waren alles andere als ein Genuss.
Philip, Pragmatiker durch und durch, nahm sich eine Auszeit von seinen hedonistischen Aktivitäten, um Recherchen über Giazyu zu betreiben, ehe er sich wieder auf den Strip hinauswagte. Während er sich am Teich der Ruhe erholte und seiner Lieblingsmasseuse gestattete, die Knoten in seinen verkrampften Muskeln und die innere Spannung, unter der er stand, zu lösen, dachte er über das nach, was er in Erfahrung gebracht hatte. Die Tabletten, die auf dem Strip so freigebig verteilt wurden, waren angeblich eine ungefährliche, touristenfreundliche Variante der Droge. Also hatte vermutlich sein wahlloses Schlucken der unterschiedlich gefärbten Pillen seinen Absturz gestern Nacht ausgelöst – die Kombination besaß wohl eine wesentlich stärkere Wirkung als die einzelnen Bestandteile. Er beschloss, nur eine einzige Tablette zu nehmen, wenn er an diesem Abend ausging, und wollte sich dann mit Alkohol weiter stimulieren.
Leider wählte er die schwarze Pille.
Dieses spezielle Präparat war eindeutig dazu konzipiert, um das Bewusstsein zu erweitern, ein Vorgang, mit dem Philip nur allzu vertraut war. Giazyu unterschied sich sehr von Syntheaven, aber der Effekt war nicht völlig anders, immerhin so ähnlich, dass er ausreichte, um die mentalen Abwehrmechanismen, an denen er seit jener verhängnisvollen Nacht in seinem Apartment auf Homeworld so resolut festgehalten hatte, nach und nach zu unterminieren. Er hatte nichts von dieser Syntheaven-Mischung auf seine ausgedehnte Reise mitgenommen, aus dem Entschluss heraus, sich selbst ein für alle Mal zu beweisen, dass er nicht von dem Stoff abhängig war, dass der Inhibitor wirkte und sein häufiger Gebrauch der Droge bloß seinen Wunsch manifestierte, zu erfahren, was die optimierten Piloten erlebten und keinesfalls einer Gier nach der Droge selbst entsprang. Nein, Syntheaven hatte er nicht mitgebracht, doch in seinem Gepäck befand sich eine gewisse Menge des Inhibitors, nur für alle Fälle.
Ein Teil von ihm akzeptierte die Rechtfertigung, dass dies nur vernünftig war, dass er, sollte er sich eines Nachts betrinken, während er sich nicht zu Hause aufhielt, und im Alkoholrausch Syntheaven konsumieren, dankbar sein würde, den Inhibitor griffbereit zu haben. Es handelte sich lediglich um eine Vorsichtsmaßnahme, das war auch schon alles. Doch ein anderer Teil von ihm befürchtete im Stillen, dass doch mehr dahintersteckte, dass es ein Zeichen von Schwäche war, dass er tief in seinem Inneren davon überzeugt war, sich irgendwann während dieser Reise einen Trip mit Syntheaven zu verschaffen, denn aus welchem anderen Grund hätte er den Inhibitor überhaupt mitnehmen sollen?
Seine Abstinenz glich einem nagenden Schmerz, einer langsam schwelenden Begierde, die er erfolgreich in Schach gehalten hatte, indem er sie in einen hintersten Winkel seines Gehirns verdrängte, derweil die mannigfachen Zerstreuungen der letzten Wochen einen unmittelbareren Fokus für irgendwelche Gelüste boten; aber die schwarze Giazyu-Pille brachte dieses Konzept mit aller Macht zum Einsturz.
Ein wenig später an diesem Abend, die Wirkung der schwarzen Pille war immer noch nicht abgeklungen, saß er in einer zwielichtigen Bar, die nicht direkt auf dem Strip lag, jedoch versuchte, sich diesen Anschein zu geben. Hier sah Philip sich gezwungen, sich seinen Dämonen in einem offenen Kampf zu stellen. Er hatte die Bar aufgesucht, weil er allein sein wollte, ja, er wünschte sich nichts anderes, als irgendwo bei einem Drink zu sitzen, abseits von dem penetranten Glanz und Glamour des Strip. Es kostete ihn Mühe, seine Gedanken zu sammeln; nur mit einer Willensanstrengung konzentrierte er sich auf seine Hand, seinen Drink, den Tisch, auf dem das Getränk stand, den simplen Akt, die Hand nach dem Glas auszustrecken und es an seine Lippen zu führen; den Vorgang des Schluckens. Und die ganze Zeit über versuchte das Narkotikum, das sein Blut vergiftete, seine Konzentration zu stören, seine Gedanken unkontrolliert in ein Dutzend andere Richtungen abzulenken.
Als sich eine Gestalt vor ihm aufpflanzte, hob er den Blick und starrte in das breite Gesicht eines dunkelhäutigen Einheimischen.
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