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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Whates
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vorbeigehen.
    Und es ging zu Ende.

19
    »Das war’s dann wohl, Nyles, und was machen wir jetzt?«
    Sie waren zu spät gekommen. Nur ganz knapp, aber minimale Verzögerungen wie diese entschieden oft den Lauf der Geschichte. Die The Rebellion erreichte das New Paris-System, als sich der Kampf bereits ausgetobt hatte, deshalb verpassten sie die Gelegenheit, den Ausgang des Gefechts zu beeinflussen und sicherzustellen, dass sich die Dinge nach ihren Wünschen entwickelten. Die Enttäuschung war enorm. Auf diesen Moment hatten sie alle ihr Leben lang gewartet, und zum Schluss war er ihnen entglitten; sie hatten ihre Chance bekommen und konnten sie dann doch nicht ergreifen. Kethi fühlte sich schrecklich frustriert und zweifelte nicht, dass es allen anderen genauso ging. Dies war ihre schicksalhafte Bestimmung gewesen, aber sie hatten untätig zusehen müssen, anstatt die ihnen zugedachte aktive Rolle zu spielen.
    Im Normalraum waren sie aufgetaucht, kurz nachdem das Byrzaen-Schiff die spektakuläre Rettung der Raumstation beendet hatte; die Aktion ging so glatt vonstatten, dass Kethis Ansicht nach die meisten Bewohner von New Paris von dem ganzen Prozess nichts gemerkt hatten und erst später davon erfuhren.
    Sie fingen Komms von den am Kampf beteiligten ULAW-Nadelschiffen auf und vergegenwärtigten sich, dass jede Intervention zu diesem Zeitpunkt sinnlos und eventuell sogar kontraproduktiv gewesen wäre, deshalb hielten sie sich zurück und beschränkten sich aufs Abwarten und Beobachten. Damit setzten sie nur fort, was sie bereits die ganze Zeit über getan hatten; sie lauerten am Rand des Systems, versteckten sich, wann immer der ULAW-Verkehr einen Gipfelpunkt erreichte, während sie die pausenlos die Nachrichtensendungen abhörten.
    Die Moral an Bord hatte einen schweren Schlag erlitten und die Stimmung sank immer tiefer. Dafür hatten sie nicht nach einer Generation selbst auferlegter Isolation das Habitat verlassen – im Schatten herumzulungern, derweil die Feinde als Helden gefeiert wurden. Mit einem Mal schien die Rettung der Menschheit doch viel komplizierter zu sein, als man sich ausgemalt hatte.
    Etwas musste unternommen werden, bevor sich die Situation an Bord weiter zuspitzte. Noch gab es keine Anzeichen für eine Meuterei, doch wie die Dinge standen, schloss Kethi einen Aufstand nicht aus; und wenn Nyles nicht bereit war, von sich aus die Initiative zu ergreifen, würde sie ihn verdammt noch mal dazu zwingen.
    Er blickte hoch, als sie in den Raum stürmte, und der Anblick dieses Mannes, den sie ihr ganzes Leben lang gekannt hatte, versetzte ihr einen Schock. Es lag weniger daran, dass er alt aussah, aber er kam ihr auf einmal so hinfällig vor: ein gebrochener Mann.
    »Nyles?«
    »Was wollen Sie von mir hören, Kethi? Soll ich sagen, dass ich mit meinem Latein am Ende bin, dass ich nach dieser Niederlage keinen Rat mehr weiß? Denn das ist die Wahrheit – ich habe nicht die leiseste Ahnung, was wir jetzt tun könnten.« Er lachte – ein kurzes, bitteres Geräusch, als ob er hustete. »Ich bin alt, Kethi, zu alt für all das.«
    »Haben Sie sich mal mit Geschichte beschäftigt?« Sie fasste das als rhetorische Frage auf, denn er wusste sehr gut, dass sie sich für Geschichte interessierte. »Ich schon«, fuhr er fort. »Früher war es mein Hobby. Und wissen Sie, worüber ich mich immer amüsiert habe?«
    »Erzählen Sie’s mir, Nyles«, forderte sie ihn leise auf. Sie brauchten diesen Mann – sie und sämtliche Unterstützer des Habitats – nun mehr denn je. Zu sehen, wie er zusammenbrach, machte ihr Angst. Zum Teufel mit den Raumschiffen der Aliens, das hier war Nyles, der Grundpfeiler ihrer gesamten Gemeinde.
    »Wie unterschiedliche Kulturen alte Menschen behandelt haben. In manchen wurden sie verachtet, man hielt sie für senil und unnütz, die keinen Wert mehr besaßen und der Gesellschaft nur zur Last fielen. Andererseits gab es Kulturen, die die Alten wegen ihres angehäuften Wissens verehrten und Alter mit Weisheit gleichsetzten.« Er schüttelte den Kopf. »Beide Betrachtungsweisen sind falsch, wissen Sie. Wer alt ist, wird dadurch nicht automatisch überflüssig, andererseits ist ein hohes Lebensalter ganz sicher keine Garantie für Weisheit. Man ist einfach nur alt, nicht mehr und nicht weniger.«
    Die Verbitterung, die in seiner Stimme mitschwang, erschreckte sie, und sie verspürte das Bedürfnis zu sprechen, ihm angesichts seiner Verzweiflung einen Hoffnungsschimmer zu bieten.

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