Geisterjagd
Philip den rechten Daumen vom Beschleuniger und drückte zur selben Zeit seinen linken hart auf die Bremse. Er hatte von solchen Manövern gelesen, gehört und sie in Filmen gesehen, und stets wurde diese Übung begleitet von quietschenden Reifen, aber er selbst hatte diesen Effekt noch nicht am eigenen Leib erlebt. Das Geräusch bildete genau die richtige dramatische Begleitung, fand er. Als der Wagen ins Schleudern geriet, blieb er anfangs noch bemerkenswert ruhig – ein Zeichen für die Qualität des Designs –, bis dann ein, zwei Sekunden später das fremde Fahrzeug in sein Heck knallte. Philip wurde so heftig nach vorn geschmettert, dass sich die Gurte schmerzhaft in seine Schulter gruben.
Zu allen Seiten pumpten sich Airbags auf. Der Wagen drehte sich und fing an zu schaukeln. Dann verlor Philip den Überblick über das Geschehen. Die Gurte, die ihn umgaben, entwickelten sich zu grausamen Folterinstrumenten, sie kniffen, bissen und quetschten ihn, während sein Körper hin und her geworfen wurde und sich durch seinen Eigenschwung gegen sie stemmte.
Und dann – endlich! – hörte das Chaos auf.
Mehrere Sekunden lang saß er einfach nur da, schnappte röchelnd nach Luft, spürte die Schmerzen in seinem malträtierten Körper und im Nacken und konnte es kaum glauben, dass er immer noch am Leben war.
Die Furcht vor der Bedrohung kroch nicht etwa langsam in sein Bewusstsein zurück, sondern sie überfiel ihn schlagartig. Aber er steckte mitten in den Airbags und hatte keine Ahnung, was draußen vor sich ging.
»Phil, lass diese dämlichen Airbags verschwinden, aber flott!«
»Diese dämlichen Airbags haben gerade dein Leben gerettet«, ermahnte ihn die gelassene Stimme seines Partiais.
Er fühlte sich ungeheuer erleichtert, dass zumindest dieser Teil des Bordsystems noch funktionierte. »Mag ja sein, aber wenn ich nicht sehen kann, was zum Teufel los ist, können sie mich genauso gut das Leben kosten.«
Noch während er sprach, schrumpften die mit Schaum gefüllten Kissen zusammen, als ihr Inhalt sich wieder verflüssigte, und schon bald konnte er an ihnen vorbeilinsen. Als Erstes fiel ihm auf, dass sich nichts bewegte. Die Autos zu beiden Seiten standen still; die Verkehrszentrale musste diese Sektion des Gitters abgeschaltet haben. Dann spähte er nach hinten, hauptsächlich um zu erfahren, was mit dem Schurkenfahrzeug los war, doch zuerst bemerkte er die zerbeulten, teilweise verbogenen Karosserien mehrerer Autos in der »Wand« zu seiner Linken, und mindestens ein arg zerschrammtes Vehikel rechts von ihm.
»Kurz vor dem eigentlichen Unfall hat die Zentrale den kompletten Verkehr gestoppt«, informierte ihn Phil; das erklärte, warum die Wagen so schnell an ihm vorbeigehuscht waren. »Du bist gegen ein Auto geprallt, an der Seite entlanggeschrammt, dann hast du die hintere Ecke des nächsten Wagens gerammt, worauf sich dein Fahrzeug drehte und seitwärts rutschte. Das Heck stieß gegen einen Wagen auf der anderen Seite, du bist zurückgeprallt und gegen vier weitere Autos linker Hand gedonnert. Es grenzt an ein Wunder, dass dein Fahrzeug sich nicht überschlagen hat.«
Phil ließ es so einfach klingen, so nüchtern. »Habe ich jemanden verletzt?«
»Nicht bekannt.«
Dann entdeckte er den silbernen Wagen, der auf der Seite lag, die zerknitterte Front eingekeilt zwischen zwei Autos auf der rechten Spur, die ebenfalls aus der adretten, ordentlichen Reihe der Verkehrszentrale gestoßen worden waren. Beide machten einen reichlich ramponierten Eindruck, und das nächstgelegene hatte sich halb auf das Fahrzeug davor geschoben, auf dem es nun in einem prekären Winkel ruhte.
Aus der Ferne erklangen Sirenen.
Während Philip all das in sich aufnahm, gewahrte er, dass sich an dem Verfolgerfahrzeug etwas bewegte. Als Erstes sah er einen in Schwarz gekleideten Arm, dann tauchte ein Kopf aus der dem Himmel zugewandten Seite des umgekippten Wagens auf. Beides, der Arm sowie der Kopf, wirkten irgendwie seltsam. Die Konturen erschienen unvollständig, wie hastig hingeworfene Skizzen eines Hauptes und einer Extremität.
Nacheinander kraxelten zwei Gestalten in schwarzer Kluft aus dem Wagen und sprangen auf den Boden, vermutlich erpicht darauf, noch vor dem Eintreffen der Polizei zu flüchten. Obwohl Philip die beiden Personen direkt anschaute, fiel es ihm schwer, das Paar tatsächlich zu sehen; es war frustrierend, aber es schien, als glitte sein Blick jedes Mal, wenn er sie ins Auge fassen wollte, an diesen
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