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Geisterlicht: Roman (German Edition)

Geisterlicht: Roman (German Edition)

Titel: Geisterlicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Winter
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klar, was hier los war. Dawn war eine Schlafwandlerin! Darum reagierte sie nicht auf ihre Rufe. Sie schlief einfach zu tief und fest. Und vielleicht hingen die angeblichen Geistererscheinungen in diesem Haus ja ebenfalls damit zusammen, dass ihre Schwester nachts im Dunkeln schlaftrunken herumlief.
    Krampfhaft überlegte Fiona, was sie über Schlafwandler wusste. Sie meinte gehört zu haben, man dürfe sie nicht aufwecken. Aber sie konnte ihre Schwester doch unmöglich schlafend durch den Garten und wer weiß wohin noch laufen lassen! Zumindest musste sie auf sie aufpassen oder sie am besten gleich zurück ins Bett bringen.
    In ihren Pantoffeln hastete Fiona den schmalen Weg aus Steinplatten entlang, vorbei an den Kräuter- und Blumenbeeten bis zu einer Wiese im hinteren Teil des Gartens, auf der mehrere Bäume wuchsen. Die Kälte und Feuchtigkeit des Bodens drang schon nach wenigen Schritten bis zu ihren Fußsohlen durch, aber sie kümmerte sich nicht darum. Angestrengt starrte sie in die Dunkelheit. Sie konnte Dawn nirgendwo mehr entdecken. Jetzt wagte sie auch nicht, noch einmal zu rufen, weil sie das Risiko nicht eingehen wollte, ihre Schwester zu wecken. Doch dann, wie aus dem Nichts, tauchte die dunkle Gestalt plötzlich direkt vor ihr im Schatten eines Baums auf.
    Erschrocken fuhr Fiona zurück. Sie presste die Hand auf ihr wild klopfendes Herz und wartete darauf, dass es sich ein wenig beruhigte.
    Währenddessen lehnte Dawn nur wenige Zentimeter von Fiona entfernt mit dem Rücken zu ihr an einem Baumstamm. Ganz langsam streckte Fiona den Arm aus und berührte vorsichtig ihre Schulter. Durch den dünnen Stoff fühlte sich der Körper ihrer Schwester bereits eiskalt an. Es wurde höchste Zeit, sie ins Haus zurückzubringen. Ein wenig fester legte Fiona die Hand um Dawns Oberarm und zog sacht daran. Ihre Schwester rührte sich nicht von der Stelle. Sie zog energischer, doch Dawn schien die Füße in den Boden zu stemmen oder sich am Baum festzuhalten. Es war nicht möglich, sie auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen.
    »Fiona?«, kam in diesem Moment eine laute Frauenstimme vom Haus her. »Bist du da draußen? Was machst du denn mitten in der Nacht allein im Garten?«
    Es war eindeutig Dawns Stimme! Erschrocken ließ Fiona den Arm los, an dem sie eben noch gezerrt hatte, und wich zurück. Sie stolperte über eine Baumwurzel und fiel rückwärts in das feuchte Gras. Selbst während ihres Sturzes gelang es ihr, die dunkle Gestalt ununterbrochen anzustarren. Wer war diese Fremde, die hier im Dunkeln durch Haus und Garten schlich?
    Als die Gestalt sich umwandte, öffnete Fiona den Mund, um sie ganz unumwunden zu fragen, was sie hier draußen eigentlich tat, doch aus ihrer Kehle kam nur ein gurgelnder Laut. Sie mochte sich noch so energisch sagen, dass sie größer und sicher auch stärker war als die Unbekannte – an ihrer Angst änderte das nichts. Mühsam rappelte sie sich vom Boden hoch und wagte dabei nicht für eine Sekunde, den Blick abzuwenden. »Wer sind Sie?«, gelang es ihr endlich, zu flüstern.
    Die Frau hob die Hand, und es schien Fiona, als würde sie ihren Zeigefinger gegen die Lippen legten. Genau konnte sie es aber nicht erkennen, denn sie sah die dunkle Gestalt merkwürdig verschwommen, und das Gesicht der Fremden war nur ein nebelhafter weißer Fleck im Schatten der Bäume.
    Plötzlich war die Frau von einem hellen, blau schimmernden Licht umgeben. Nun konnte Fiona sehen, dass sie in ein zerlumptes graues Gewand gehüllt war, das bis zum Boden reichte. Um ihre Schultern und den Kopf trug sie ein schwarzes Umschlagtuch.
    »Dawn!«, krächzte Fiona. Ihre Stimme war jedoch so leise und kraftlos, dass ihre Schwester sie am anderen Ende des Gartens wahrscheinlich nicht hörte. Fiona wollte zu ihr laufen, fort von der unheimlichen Erscheinung, aber sie konnte sich nicht von der Stelle rühren, es war, als wäre sie am Boden festgenagelt. So stand sie da und schaute wie gebannt die dunkle Frau an. Ihr Blick wurde wie von einem starken Magneten festgehalten. Es überlief sie heiß und im nächsten Moment kalt, und ihr Herz klopfte so schnell, dass sie den wilden Schlag gleichzeitig in ihrem Kopf und in den Kniekehlen spürte.
    Während sie bebend und nach Atem ringend dastand, färbte sich das blaue Licht um die fremde Frau langsam rötlich. Erst war es nur ein zartes Rosa, dann verwandelte es sich in ein kräftigeres Orange, und schließlich zuckte es feuerrot um den schmalen Körper herum,

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