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Geisterlicht: Roman (German Edition)

Geisterlicht: Roman (German Edition)

Titel: Geisterlicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Winter
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kalten Tee in der Tasse, die vor ihr stand. »Was sind das eigentlich für Kräuter?«
    Mit gerunzelter Stirn beugte sich Dawn über Aidans Becher. Sie roch daran, nippte an der kalten Flüssigkeit und leckte sich nachdenklich über die Lippen. »Schmeckt gut. Aber ein bisschen bitter.« Plötzlich sprang sie auf. »Bin gleich wieder da«, rief sie und stürmte aus der Küche. Sekunden später sah Fiona durchs Küchenfenster, wie ihre Schwester angestrengt auf das Kräuterbeet hinunterstarrte. Dann stutzte sie, zupfte einige Blätter ab und tauchte gleich darauf wieder in der Küchentür auf. »War es das hier?« Wild wedelte sie mit den abgerupften Stängeln vor Fionas Gesicht herum.
    Fiona fing ihre Hand ein, betrachtete die schmalen, leicht gezackten Blätter und nickte. »Ja. Das ist es.«
    Dawn ließ die Blätter auf den Tisch und sich selber wieder auf ihren Stuhl fallen. »Das ist Damiana!«, verkündete sie mit gepresster Stimme.
    Es gelang Fiona nur mit Mühe, ruhig auf ihrem Stuhl sitzen zu bleiben. Mit angehaltenem Atem wartete sie, was Dawn ihr wohl über »Damiana« erzählen würde. Hatte sie womöglich Aidan und sich selbst vergiftet, und sie würden beide in wenigen Stunden eines qualvollen Todes sterben? Als der Sekundenzeiger das Zifferblatt der Wanduhr einmal umkreist hatte, konnte sie nicht mehr an sich halten. »Was ist denn nun damit? Ist es giftig?«, stieß sie hervor und hatte das seltsame Gefühl, als würden ihre Arme und Beine taub werden, was sicher Anzeichen ihres baldigen Ablebens waren.
    »Ich versuche schon den ganzen Sommer, den kläglichen Strauch hochzupäppeln, aber er wollte einfach nicht wachsen«, erklärte Dawn mit gepresster Stimme. »Und kaum tauchst du auf, ist der Busch plötzlich fast einen Meter hoch und strotzt nur so vor Saft und Kraft. Von einem Tag auf den anderen!«
    Fiona hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. Sie konnte absolut nichts dafür, dass dieses Gewächs plötzlich gedieh! Was war außerdem so schlimm daran? Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, schwieg sie.
    »Damiana, das Liebeskraut.« Fast ehrfürchtig sprach Dawn die Worte aus. »Es ist ein Aphrodisiakum, doch nicht nur das.«
    »Doch nicht nur das?«, echote Fiona, und gleichzeitig wurde ihr übel. Sie hatte dem Mann, in den ihre Schwester verliebt war, ein Aphrodisiakum eingeflößt, und es hatte funktioniert! Er hatte sie geküsst. Und sie war in seinen Armen dahingeschmolzen.
    Fiona versuchte, sich zu beruhigen, obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug. Eigentlich war es doch eine gute Nachricht, dass Aidan und sie sich nicht aus echter Leidenschaft geküsst hatten, sondern weil sie versehentlich den falschen Tee getrunken hatten.
    »Ich hatte vor, den Tee gemeinsam mit Aidan zu trinken. Und jetzt hast du es getan.« Mit zusammengekniffenen Augen starrte Dawn ihre Schwester an. »Hast du irgendwas bemerkt? Bei dir oder bei ihm?«
    Fiona schluckte krampfhaft, bevor sie ein leises »Nein« hervorstieß. Sie wollte ihre Schwester nicht belügen, aber sie konnte ihr auch unmöglich die Wahrheit sagen. Das hätte Dawn viel zu sehr verletzt. Außerdem hatte der Kuss in der Küche ja keinerlei Bedeutung gehabt. Aidan und sie hatten praktisch unter Drogen gestanden und nicht gewusst, was sie taten. Heimlich strich sie sich mit den Fingerkuppen über die Lippen, auf denen immer noch sein Kuss brannte.
    »Du bist ja auch in einen anderen verliebt, wenn mich nicht alles täuscht.« Mit einem schelmischen Lächeln beugte Dawn sich über den Tisch. »Du wolltest mir doch noch von dem Mann erzählen, von dem du schon so oft geträumt hast.«
    »Ach, der …« Hilfesuchend blickte Fiona aus dem Fenster in den rosig leuchtenden Abendhimmel. »Das hat sich erledigt. Er ist jetzt mit einer anderen zusammen.«
    »Oh, wie schade!« Mitfühlend griff Dawn nach ihrer Hand. »Bist du sehr traurig?«
    »Nein. Gar nicht«, behauptete Fiona tapfer. »Es war ohnehin nur eine Schwärmerei. Wir kannten uns gar nicht richtig.«
    Später lag Fiona in dem warmen, weichen Bett, das ihre Schwester für sie hergerichtet hatte, und starrte zur Decke hinauf, auf die die Mondstrahlen ein zartes Muster zeichneten. Mit ihren Blicken folgte sie den blassen Linien und hoffte, dabei endlich müde zu werden und einzuschlafen.
    Doch in ihrem Kopf fuhren die Gedanken unablässig Karussell. Sie dachte an den heutigen Abend, den sie mit ihrer Schwester am Küchentisch verbracht hatte. Redend, essend, lachend und auch weinend –

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