Geisterlicht: Roman (German Edition)
Verblüfft sah Fiona zu, wie Dawn mit der Hand eine Kreisbewegung machte, etwas vor sich hin murmelte und die Blätter daraufhin aus dem Flur wirbelten, als würde der Wind jetzt von drinnen nach draußen blasen und nicht umgekehrt.
»Außerdem willst du bei diesem Gegenwind ganz sicher nicht Fahrrad fahren, glaube mir«, stellte Dawn fest, während sie die Haustür hinter sich ins Schloss zog.
»Hex den Wind doch einfach weg«, schlug Fiona verbissen vor, nahm aber trotzdem die Autoschlüssel, die Dawn ihr in die Hand drückte.
» Ich kann so was nicht«, erklärte Dawn fröhlich. »Du vielleicht. Später mal, wenn du genug übst. Du solltest sowieso langsam damit anfangen. Schon wegen des anderen Zaubers. Du weiß schon, welchen ich meine.«
»Warum nehme ich nicht gleich einen Besen?« Fionas Frage ging ins Leere, denn ihre Schwester marschierte bereits die Dorfstraße entlang. Ihr bunter Schal flatterte fröhlich durch die Luft.
Seufzend öffnete Fiona die Fahrertür des altersschwachen Autos. Während sie sich hinters Steuer schob, landete Lillybeth auf der Motorhaube und betrachtete sie mit schiefgelegtem Kopf durch die Frontscheibe.
»Simsalabim«, murmelte Fiona missgelaunt vor sich hin. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie gar nicht zaubern wollte. Sie war noch nicht so weit. Vielleicht würde sie nie so weit sein. Dennoch blieb ihr wahrscheinlich nichts anderes übrig. Nicht nur wegen des alten Autos, sondern auch wegen der Liebesnöte ihrer Schwester.
»Komm schon, fahr einfach los«, bat sie das Auto, hielt den Atem an und drehte den Zündschlüssel um.
Der Wagen machte einen Satz nach vorn, Lillybeth flog auf und dann rollte Fiona zu ihrer eigenen Überraschung die Dorfstraße entlang.
Die Räbin flatterte aufgeregt krächzend um das Auto herum. Offenbar wollte sie Fiona begleiten, wie sie es sonst bei Dawn tat.
Die Kirche, die die Einwohner von Kelton besuchten, lag im Nachbardorf. Fiona steuerte ohne Probleme den Wagen dorthin und parkte vor dem Haus direkt neben dem Kirchturm. Dort wohnte nach Dawns Erklärung der Pastor mit seiner Familie.
»Ich fürchte, er ist nicht sonderlich gut auf uns Abercrombies zu sprechen«, hatte Dawn hinzugefügt. »Mim hat sich mal mit ihm angelegt, als ich noch klein war und einmal im Weihnachtsgottesdienst laut angefangen habe, zu singen. Er wollte, dass sie mit mir rausgeht, aber ich hatte mich so sehr auf das Krippenspiel gefreut, und sie erklärte ihm, Gott würde sich über ein singendes Kind sicher mehr freuen als über ein Dutzend sauertöpfisch dreinblickender alter Frauen.«
Bei dem Gedanken, wie Noreen sich für ihre kleine Tochter eingesetzt hatte, spürte Fiona ein sehnsüchtiges Ziehen in der Brust. Auch ihr Vater hatte sie unterstützt und beschützt, aber er hätte sich niemals mit einem Pastor angelegt. Sie war sich ganz sicher, dass die Augen ihrer Mutter beim Streit mit dem Pastor wild gefunkelt hatten. Siegfried Kramer dagegen hätte in dieser Situation vermutlich etwas verlegen versucht, seine kleine Tochter zur Ruhe zu bringen. Wahrscheinlich hätte Fiona aber auch gar nicht gesungen. Ein solches Kind war sie nicht gewesen. In Noreens Nähe wäre sie es vielleicht geworden.
Sie stieg aus dem Auto, tätschelte die zerschrammte Motorhaube, winkte Lillybeth zu, die auf dem Wetterhahn oben auf dem Kirchturm balancierte, und ging zur Tür des Pastorenhauses.
Eine Frau mit griesgrämiger Miene öffnete ihr die Tür. »Ja?«, fragte sie streng und verschränkte wenig einladend die Arme vor der Brust.
»Guten Morgen«, grüßte Fiona sie betont freundlich. »Ich möchte zu Pastor Fergusson.«
»Worum geht’s denn?«
Fiona hatte keine Lust, ihre Angelegenheiten mit der unwirschen Frau zu besprechen. »Das ist Privatsache.«
Falls das überhaupt möglich war, wurde das Gesicht der Frau nun noch abweisender. Sie presste die ohnehin schon schmalen Lippen aufeinander und kniff die Augen zusammen. »Mein Mann ist sehr beschäftigt«, bellte sie nach einer Pause, in der sie wahrscheinlich darauf gewartet hatte, dass Fiona verängstigt die Flucht ergriff.
»Oh«, machte Fiona mit einem harmlosen Augenaufschlag. »Ich habe gehört, für seine Schäfchen hat er immer Zeit.«
»Und wo wollen Sie das gehört haben?« Mrs Fergusson schien erstaunt. »Ich habe Sie noch nie in unserer Kirche gesehen!«
»Auch außerhalb der Kirche wird hier und da über den Pastor gesprochen«, teilte Fiona ihr mit geheimnisvoller Miene mit.
»Welche Schäfchen
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