Geisterlicht: Roman (German Edition)
Wind die ersten Blätter über die schmale gewundene Straße. Sein Land Rover schnurrte gleichmäßig über den Asphalt, und Aidan hatte ein nur mäßig schlechtes Gewissen, dass er lieber die halbstündige Autofahrt in den nächstgelegenen Supermarkt in Kauf genommen hatte, um sich frisches Gemüse, Fleisch und Obst zu besorgen, anstatt sich eine Tiefkühlpizza aufzutauen und sich sofort wieder an den Schreibtisch zu setzen. Trotz Scotts Besuch war sein Tagespensum immer noch nicht allzu ergiebig. Dazu verirrten sich seine Gedanken zu häufig zu einer ganz bestimmten Frau mit langen dunklen Haaren und grünen Augen und zu einem Kuss, der … anders gewesen war als alle Küsse, die er bisher zuvor erlebt hatte.
»Verdammt!« Er trat hart auf die Bremse, als direkt vor seiner Windschutzscheibe ein schwarzer Schatten auftauchte und gleich darauf zur Seite verschwand. Offenbar ein Rabe, der sich direkt über seinem Wagen aus der Luft nach unten gestürzt hatte.
Aidan war so in seine Gedanken versunken gewesen, dass er auf der kurvigen Straße viel zu schnell gefahren war. Nun gab er vorsichtig wieder Gas und lenkte seinen schweren Wagen langsam um die vor ihm liegende Kurve. Sofort musste er wieder bremsen, weil direkt hinter der Biegung ein kleiner roter Wagen mitten auf der Straße stand. Gerade war die Fahrerin dabei, auszusteigen. Als er die Frau erkannte, stockte ihm der Atem. Er ließ das Fenster herunter und streckte den Kopf in den kühlen Herbstwind hinaus.
»Hier mag nicht viel Verkehr sein, aber gelegentlich kommt doch ein Auto vorbei. Direkt hinter der Kurve stehen zu bleiben, ist keine so gute Idee, Fiona.«
»Haha!« Selbst aus einigen Metern Entfernung konnte er das Funkeln ihrer Augen erkennen. »Sag das dem blöden Auto hier! Es ist einfach stehen geblieben und weigert sich standhaft, weiterzufahren.«
»Augenblick!« Er sprang aus dem Wagen, holte sein Warndreieck aus dem Kofferraum, stellte es hinter der Kurve auf und eilte dann zu Fiona, die mit verschränkten Armen vor dem streikenden Auto stand. Sie schien nicht die Absicht zu haben, ihm zur Begrüßung die Hand zu reichen. Aus der Nähe erkannte er, dass das Funkeln ihrer Augen von den Tränen herrührte, die darin standen. Vielleicht tränten ihr von dem starken Wind die Augen? Fiona schien ihm keine Frau zu sein, die bei der geringsten Schwierigkeit anfing, zu weinen. Er wandte den Blick von ihr ab und betrachtete die zerschrammte Motorhaube des kleinen Autos.
»Dawn hat mir erzählt, dass der Wagen trotz seines Alters eigentlich sehr zuverlässig ist. Sie sagte, es gäbe da so einen Trick, mit dem man ihn notfalls immer zum Weiterfahren bringen könne. Hat sie ihn dir nicht verraten?«
Fiona schnaubte durch die Nase. »Klar hat sie ihn mir verraten! Aber bei mir funktioniert er nicht. Ich wollte ja auch gar nicht mit dem Auto fahren, aber sie hat mich überredet.« Aus ihrem Augenwinkel löste sich eine Träne und rollte ihr über die Wange.
Wie die meisten Männer konnte Aidan es nicht ertragen, eine Frau weinen zu sehen. Er wusste dann nie, was er tun sollte. Bei Fiona hätte er es vielleicht sogar gewusst. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und getröstet. Das wagte er jedoch nicht, also sagte er nur hilflos:
»Das ist doch kein Grund zum Weinen, Fiona! Ich schleppe dich ab. In zehn Minuten bis du zu Hause.«
»Ich weine doch nicht wegen des blöden Autos!«, fauchte sie ihn an, als hätte er das wissen müssen – und brach im nächsten Moment richtig in Tränen aus.
Jetzt konnte Aidan einfach nicht anders, als die Arme auszustrecken, um sie an sich zu ziehen. Doch sie wich zurück, wischte sich wieder und wieder mit den Handrücken über die nassen Wangen und schluchzte dabei so kläglich, dass es ihn mitten ins Herz schnitt.
»Wenn es nicht das Auto ist, was ist es dann?« Nervös suchte er in seinen Taschen nach einem Papiertaschentuch, konnte aber keins finden.
»Zu kompliziert«, stieß sie hervor. »Kann ich jetzt nicht erklären.«
Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper. Aidan konnte sie gerade noch auffangen, als sie sich einfach nach vorn fallen ließ und ihr tränenüberströmtes Gesicht an seiner Brust barg.
Vorsichtig strich er ihr über das glänzende dunkle Haar, das sich unter seinen Fingern wie Seide anfühlte. Durch sein Hemd spürte er ihren warmen Atem auf seiner Haut. Und langsam drang auch die Nässe ihrer Tränen durch den Stoff. So fühlte er Fiona auf und unter seiner Haut, und eine
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