Geisterstadt
Scheißspielzeug herzuhalten, das man links liegen lassen konnte, bis man mal wieder Lust hatte, es aus der Kiste zu ziehen, nur um es dann wieder wegzuwerfen, wenn es langweilig wurde.
»Aufhören!«, versuchte sie noch einmal, aber sie brachte nur ein Gurgeln heraus. Panik überkam sie. Sie konnte nichts mehr sehen, nichts mehr hören, die Hände und Füße nicht mehr spüren. Die Stimme des Ältesten Thompson wurde lauter und dröhnte ihr in den Ohren, als seine Macht in sie eindrang und sie überwältigte. Er rang mit ihr, damit sie stillhielt.
Ihre Füße bewegten sich, als watete sie durch halb getrockneten Zement. Sie musste hier raus. Musste es einfach. Scheiß auf das Geld! Das war es nicht wert, einfach nicht wert, war es nicht wert, von schweren schwarzen Händen festgehalten und gezwungen zu werden, alles aufzugeben, wofür sie ihr Leben lang gekämpft hatte.
Der Älteste Thompson schrie jetzt. Seine Worte prasselten auf sie ein und trafen sie wie Faustschläge. Sie wehrte sich heftiger und stemmte sich gegen die dicke purpurrote Feuerwand. Bloß raus, sie musste hier raus, musste ...
Eine weitere Hand auf ihr, die ihr den Arm drückte. Sie wollte ausholen, sie wegschlagen, aber er hielt sie fest. »Cesaria. Cesaria. Cesaria.«
Der Älteste Griffin. Der Älteste Griffin sprach mit ihr, leise zwar, aber irgendwie trotz des Brüllens des Ältesten Thompson immer noch zu verstehen. Wieder und wieder sagte er ihren Namen, und der winzige Teil von ihr, der sich noch konzentrieren konnte, griff danach, griff nach dem Klang ihres Namens in seinem Mund und klammerte sich daran fest.
»Cesaria. Ich bin hier, ich bin bei dir, Cesaria. Gib nach. Lass los und vertrau mir. Du kennst mich, Cesaria. Ich kenne dich. Dir geschieht hier nichts, niemand will dir etwas antun. Ich verspreche dir, dass es aufhört, wenn du dich entspannst. Dir wird dann nichts geschehen. Ich verspreche es dir — lass los, und es hört auf, kämpf nicht länger dagegen an, niemand wird dir wehtun. Niemand wird dir wehtun, Cesaria, das verspreche ich dir ...«
Sie wollte nicht. Ihr Kopf flog vor und zurück, als sie sich aufbäumte, sich zur Wehr setzte.
Er sprach immer weiter und wiederholte die immer gleiche sanfte Litanei. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie konnte sie spüren, schmeckte sie, salzig, mit einem Hauch von Kalmus und Cayenne aus dem Kräuterdampf, der in ihren Körper eindrang.
Irgendwann - sie hatte keine Ahnung, wie lange es dauerte, wie oft er ihren Namen wiederholte oder sie drängte, nachzugeben und dem Ältesten Thompson die Kontrolle über sich zu überlassen - entspannte sie sich. Der Älteste Griffin würde nicht zulassen, dass ihr etwas geschah. Da war sie sich ganz sicher. Wenn sie ihm nicht traute, wem dann? Sie vertraute ihm mehr als irgendjemand sonst, außer ... Sie vertraute ihm, und er würde nicht zulassen, dass ihr etwas geschah. Allmählich spürte sie, wie sich die Energie um sie herum veränderte, und hörte, wie die Stimme des Ältesten Thompson leiser wurde. Aufseufzend lauschte sie in sich hinein und ließ sich von ihrem Vertrauen besänftigen.
Die Energie schlug um. Schlagartig, als würde ein Puzzleteil an den richtigen Platz gelegt. Sie war nicht länger beängstigend, nicht länger gefährlich. Chess war jetzt ein Teil davon. Sie hatte sich hingegeben. Sie hatte zugestimmt, sie nahm aktiv teil, und plötzlich machte es ihr nichts mehr aus. Tatsächlich ...
Es füllte sie aus und ließ sie schweben. Besser als ihre Pillen. Besser als eine Dosis Dream. Jede Zelle ihres Körpers bestand aus reiner Macht, reiner dicker Süße, leicht und freudvoll. Sie musste keine Entscheidungen treffen, keine Kämpfe ausfechten. Keine Erinnerungen, mit denen sie sich herumschlagen musste, keine Scham, kein Leid. Sie war nicht mehr sie selbst. Sie war jemand anders, jemand, der zu jemandem dazugehörte, und dieser Jemand traf alle Entscheidungen und ließ sie schweben ...
Dann änderte sich die Energie erneut und schleuderte sie in sich selbst zurück. Ihre Augen öffneten sich.
Das Licht hatte sich verändert. Immer noch purpurrot, immer noch leuchtend, aber durchzogen von schwarzen und roten Sternschnuppen, die Spuren auf der gleißenden Energie hinterließen. Das Blut tobte durch ihre Adern, durch das Hirn, schneller und schneller, ihre Tätowierungen schrien und juckten und schlängelten sich auf der Haut, brannten sich durch Muskeln und Knochen und ließen sämtliche Alarmglocken in ihrer Seele
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