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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Doppeltüren, hinaus in den kalten Vorfrühlingswind.
    Aus alter Gewohnheit wartete sie an der Beifahrertür, damit er ihr öffnete, aber das tat er nicht. Na gut. Sie betätigte selbst den eiskalten Griff und spürte, wie er ihr in die Handfläche biss, als sie ihn hinunterdrückte und in die dunkle Kabine glitt, die nach Rauch und Leder roch. Auch andere Gerüche hingen hier in der Luft: Bourbon und Bier. Er hatte getrunken. Sie konnte es ihm nicht verübeln. Eigentlich hätte sie jetzt selbst ganz gut einen Drink vertragen. Wäre eigentlich schlau gewesen, sich noch schnell ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen.
    Die Fahrerseite neigte sich, als er sich in den Sitz fallen ließ. Er klimperte mit dem Schlüssel.
    Keiner von beiden rührte sich.
    Ihre Wasserflasche war in der Handtasche. Sie konzentrierte sich ganz auf das Herumwühlen, um sie zu finden, damit sie seine Nähe nicht so schmerzlich spürte. Seine Haut nicht riechen musste. Sein zerfurchtes, raues Profil nicht sehen musste und auch nicht die schwarze Schmalzlocke, die er mit glänzender Pomade über den Kopf gekämmt hatte. Es funktionierte nicht. Sie war sich all dieser Einzelheiten schmerzhaft bewusst und spürte, wie die Trauer sie überwältigte. Sie ... sie vermisste ihn. Er war ihr Freund. Ganz egal, wie sehr sie sich wünschte, dass er noch mehr wäre, und ganz egal, wie sehr sie ihre Chance darauf vermasselt hatte ... von dem ganzen Mist mal abgesehen, war er immer ihr Freund gewesen, und er fehlte ihr so sehr, dass es wehtat.
    »Was hast du mit mir gemacht?«
    Die Flasche glitt ihr aus den Fingern, und sie konnte sie gerade noch festhalten, bevor sie alles verschüttete. »Was?«
    Er beschrieb mit der rechten Fland einen Kreis über der Bmst. Ach ja, genau.
    »Oh. Das ist ein Schutzzeichen, es ... bindet deine Seele an den Körper.«
    Die Bilder jener Nacht wirbelten aus ihrer Erinnerung empor und spielten sich vor ihrem inneren Auge noch einmal ab. Wie schon so oft, seit es geschehen war. Sein regloser Körper ... der Falke, der hinabstieß, um ihm die Seele zu entreißen ... der Griff ihres Messers, kalt und hart in ihrer Hand, als sie ihm das Schutzzeichen in die Brust ritzte, und das Blut, das wie zur Antwort auf ihre Beschwörungsformeln aus den Schnitten sickerte.
    Ein knappes Nicken, kaum mehr als ein Senken des Kinns. Er weigerte sich immer noch, ihr ins Gesicht zu sehen. »Warum?«
    »Erinnerst du dich nicht? Hat es dir denn niemand erzählt?«
    »Nee, ham mich alle komplett im Dunkeln gelassen. War ja auch keiner da, wenn du dich mal erinnern magst, außer deinem Lover und seinen Leuten.«
    »Er ist nicht mein Lover. Ich ... ich treffe mich nicht mehr mit ihm.«
    Falls sie geglaubt hatte, dass ihm das eine Reaktion entlocken würde - und das hatte sie -, Pech gehabt. Seine Miene blieb reglos. Nichts.
    Sie versuchte es noch einmal. »Wenigstens die Goodys im Krankenhaus müssen dir doch was gesagt haben. Dass du fast gestorben wärst. Du wärst jetzt tot, wenn ich nicht...«
    Er drehte den Schlüssel und jagte die Chevelle vom Bordstein.
    Ein warmer Hauch strömte aus der Lüftung, und Johnny Thunders dröhnte aus den Lautsprechern. Born to lose, das konnte man wohl sagen. Das war zwar eine ihrer Lieblingsplatten, aber nicht die Aufmunterung, die sie gerade brauchte.
    Sie war ein paarmal drauf und dran, etwas zu sagen, fand dann aber doch nicht die richtigen Worte. Er wollte sie nicht ansehen, sie konnte die Augen nicht von ihm lassen. Draußen vor den Fenstern zogen die Straßen vorbei. Sie sah Nutten und Freier und Bumps Leute, die an Straßenecken Tütchen mit Muntermachern vertickten. Ihre Umrisse waren Schmutzflecken rund um lodernde Feuertonnen. Ein paar Kids tanzten zuckend in einem losen Grüppchen; die Szene huschte zu schnell vorbei, als dass sie erkennen konnte, was da vor sich ging. Spielte auch eh keine Rolle.
    »Wie geht s ...« Sie biss sich auf die Zunge. Jetzt nach Katie zu fragen wäre ein schwerer Fehler, der sie womöglich das Leben kosten würde. Es war besser, ihn nicht daran zu erinnern, dass sie eine der wenigen war, die von seinem Kind wussten - dass es da draußen ein kleines Mädchen mit seinem Lächeln gab, das den Namen eines anderen Mannes trug.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte sie schließlich. »Ich meine, bist du in Ordnung?«
    Jetzt warf er ihr doch einen Blick zu. Seine Augen blitzten im Licht des Armaturenbretts auf. Kalt. Tot wie die eines Hais. Anscheinend war die Zeit für Small Talk

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