Geisterstadt
Knauf des Gehstocks verschränkt und den Kopf gesenkt. Himmelblaue Seide bedeckte seine dürre Brust und die Arme; goldene Klunker glänzten an Fingern und Handgelenken.
»Süße«, brummelte er. Sie spürte, wie er sie aus den Augenwinkeln beobachtete. »Wie ich höre, treibst du dich in Bumps Revier rum, ja? Mit deinen Scheiß-Kirchenbullen im Schlepptau. Hat Bump da richtig gehört?«
»Ja.« Okay. Keine Ersten Ältesten zu sehen; der Raum war immer noch sauber — bildlich gesprochen. Allerdings stand ihr das Schwerste ja auch erst noch bevor, oder? Wo sie gewesen war, hatte schließlich nichts mit der Bindung zu tun.
»Willste mir vielleicht irgendwas sagen?«
Okay Zeit, mal tief Luft zu holen. »Hat nichts mir dir zu tun, ja? Ist ’ne Kirchenangelegenheit.«
Der Gehstock wanderte zwischen den Händen hin und her und lehnte sich beiseite, wie bei einem eleganten Tanzschritt von Fred Astaire. Aber sie waren hier nicht in einem Tech-nicolor-Musical. Und ganz sicher auch nicht in einem hübschen Ballsaal. »Alle Angelegenheiten, die sich hier unten abspielen, sind Bumps Angelegenheiten, Süße. Hat alles was mit mir zu tun. Du willst doch auch weiter was mit Bump zu tun haben, öder? Kriegen, was du so brauchst? Dann lass mal besser was hören.«
»Ist ... ist nur ’ne Untersuchung, die wir da durchführen. Sonst nichts.«
Bumps Augenbrauen verwandelten sich in Pfeilspitzen; er fuhr sie so heftig an, wie sie es noch nie erlebt hatte, obwohl sie wusste, dass er dazu in der Lage war. »Glaubste, wir spielen hier
Spielchen? Ist aber kein verdammtes Spiel, klar? Spuck s endlich aus! Oder Terrible macht dir die Hölle heiß. Glaubste etwa, da biste zu fein für?«
»Das hat nichts mit dir zu tun, Bump, okay? Ich darf nicht darüber sprechen.«
Bump schüttelte mit betrübter Miene den Kopf. Chess kaufte ihm das keine Sekunde ab.
Und dann war die Sekunde auch schon vorbei, als ihr Gesicht auf den staubigen roten Teppich knallte und sich etwas Schweres in ihr Kreuz bohrte. Terribles Knie.
Er hatte sie zu Boden geschleudert. Er hatte sie doch wirklich und wahrhaftig zu Boden geschleudert. Als hätte er nie mit ihr gesprochen oder sie berührt. Als ob er sie nie zum Essen eingeladen oder neben ihr auf ihrer schrottigen Couch gesessen hätte. Als bedeutete sie ihm überhaupt nichts. Als wäre sie einfach nur ein weiterer Junkie, der Bump Geld schuldete, genau wie alle anderen.
Ihre rechte Schulter sendete Alarmsignale aus; er hatte sie verdreht und ihr die Hand zwischen die Schulterblätter gequetscht. Es tat zwar nicht weh, aber ob das daran lag, dass sie derartig mit Schmerzmitteln vollgepumpt war, dass er ihr auch problemlos den Fuß hätte amputieren können, oder ob er sie schonte, wusste sie nicht. Sie tippte auf Ersteres und hoffte auf Letzteres.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass es so weit kommen musste«, sagte Bump gedehnt. »Dachte, wir hätten so ’ne gewisse Vertrauensbasis, hm? Du und Bump. Dachte, wir verstehen uns. Das macht Bump traurig, echt. Und Terrible erst... Kannste mir glauben, Süße, das ist echt hart für ihn, was du da machst. Warum spuckst es nicht einfach aus, damit das hier vorbei ist und wir alle wieder Freunde sein können, hm? Möchtest du nicht gerne Bumps Freundin sein?«
»Schwarze Magie«, würgte sie hervor. »Die Lama ...«
Die Worte verwandelten sich in einen Schrei, der so laut und so lang gezogen war, dass sie selber Angst bekam, als ihre Handgelenke in Flammen aufgingen. Todesqualen, wie sie sie noch nie zuvor gespürt hatte, schlimmer als beim heftigsten Entzug hoch zehn, schossen ihr die Arme hinauf in die Brust, ins Gehirn, bis für nichts anderes mehr Platz war. Grelles Rot flackerte hinter ihren zusammengekniffenen Lidern auf und versengte ihr die Pupillen. Muster, die denen auf ihren Armen glichen, wirbelten ihr durch den Kopf.
Sie spürte vage, wie Terrible von ihr abließ, als sie sich am Boden wand und ihr Körper krampfhaft hin und her zuckte wie eine mit Salz bestreute Schnecke. Dann hoben seine großen Hände sie auf. Sie fühlte, wie eine davon ihr Gesicht herumdrehte und ihr die Wange tätschelte. Sie hörte, wie seine Stimme ihren Namen rief.
Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden, vielleicht zehn. Es waren die längsten Sekunden ihres Lebens. Als sie wieder zu sich kam, prickelten und brannten ihr die Wangen von den Tränen, und ihr Körper bebte, als sie versuchte, sich aufzusetzen. Terrible hatte seinen Arm um ihren Rücken gelegt und
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