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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Bemerkung oder einen neuen bösen Blick zu warten. Später konnte er sie mit messerscharfen Worten aufschlitzen; wenn er es nur lang genug tat, würde sie vielleicht genug Blut verlieren, dass ihr das Herz nicht mehr so schwer war.
    Irgendwie bezweifelte sie, dass es jemals dazu kommen würde.
    Aber er sagte kein Wort. Er hatte sich die Sonnenbrille aufgesetzt, sodass sie seine Augen nicht sehen konnte, aber das Zucken seines Kiefers und die heruntergezogenen Augenbrauen, die Anspannung in den Armen, und wie er die Lippen zusammenpresste ...
    »Bist du in Ordnung? Ich meine«, fügte sie rasch hinzu, »ob du dich gut fühlst. Der Typ da auf der Bühne, also, ich weiß ja nicht, wie’s dir geht, aber mich hat der irgendwie nervös gemacht. Der hatte irgendeine Kraft, das hab ich gespürt. Und da hab ich mich halt gefragt, ob es dir genauso ging.«
    »Bin doch kein Hexer.«
    »Ja, weiß ich, aber du siehst aus, als ob ... Er war einfach gruselig, und ich hab mich gefragt, ob du auch was gespürt hast, mehr nicht.«
    Als er nicht antwortete, nahm sie einen neuen Anlauf. »Dieses Symbol auf deiner Brust, hast du da irgendwas ...«
    »Mir geht’s gut.«
    »Ich würde dir wirklich gerne helfen ...«
    »Ich hab gesagt, mir geht’s gut, okay?«
    Sie biss sich auf die Lippe und widmete sich der Akte. Dank seines hinterhältigen Diebstahls letzte Nacht hatte sie noch nicht mal die Gelegenheit gehabt, sie sich in Ruhe anzusehen. Sie hatte sie nur einmal kurz durchgeblättert, bevor sie wie ein braves I lündchen nach draußen getapst war, um auf Lauren zu warten.
    Allzu viel hatte sie aber wohl auch nicht verpasst. Hoffte sie zumindest; aber nein, sie hatten sicher nichts aus der Akte geklaut. Kopiert, klar, auf alle Fälle. Aber nicht geklaut.
    Das Glitzern der Sonne auf der massiven Kette an Terribles rechtem Handgelenk schmerzte ihr in den Augen. Ausnahmsweise hatte sie mal ihre Sonnenbrille dabei. Sie wühlte noch in der Tasche danach, als er den Wagen vor einem Gebäude mit blinden Fenstern zum Stehen brachte. Aus den Fensteröffnungen im Erdgeschoss wucherte schon das Unkraut, und die Wände waren von längst vergessenen Flammen geschwärzt. Ein besetztes Haus.
    Sie schnappte sich Stift und Notizbuch, verschloss die Akte mit einem Gummiband und stopfte sie tief in die Tasche.
    Er fragte sie nicht, ob es ihr gut ging, sondern öffnete bereits den Kofferraum, als sie aus dem Wagen stieg und das Fleckchen bröckeligen Asphalts betrat, das einmal ein kleiner Parkplatz gewesen war. Vor ihr klebte getrocknetes Blut auf der Straße. Sie konnte die Reifenspuren immer noch sehen, die er bei seinem Abgang letzte Nacht hinterlassen hatte.
    Die Schweinekadaver waren natürlich verschwunden. Und jetzt, wo sie darüber nachdachte ... ja, ein schwacher Geruch nach gegrilltem Schwein lag in der Luft. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, welche Freude dieses kleine Zauberkunststück in den Herzen und Mägen der ganzen Nachbarschaft ausgelöst hatte, wo die meisten wahrscheinlich noch nie im Leben so viel Fleisch auf einem Haufen gesehen hatten. Allerdings stellte sie sich den Streit um die Frage, wer wie viel abbekam, lieber nicht vor - er konnte sehr gut Leben gekostet haben. Das ging sie nichts an.
    Sie versuchte, die misstrauischen Blicke zu ignorieren, mit denen sie im Moment ganz sicher bedacht wurden, und steuerte auf den verlassenen Eingang zu, als sie hörte, wie der Kofferraum zugeknallt wurde.
    Das gesamte Erdgeschoss war von brusthohem Unkraut überwuchert. Lange elfenbeinfarbene Stachelhalme, die ihre Samen überall verstreut hatten, und skelettartige Büsche. Ein dünner Trampelpfad schlängelte sich durch den Dschungel zu einem dunklen Eckchen. Die Treppe. Terrible schob sich vor sie, ohne sie zu berühren, und bahnte sich den Weg über den Pfad. Die abgestorbenen Pflanzen griffen im Vorübergehen vergeblich nach ihm.
    Leise Geräusche drangen von oben zu ihnen, als sie am Fuß der Treppe angekommen waren. Chess blieb stehen und atmete tief durch. Irgendetwas lag in diesem Gebäude in der Luft, so schwach, dass es mehr eine Idee als etwas wirklich Greifbares war, aber dennoch vorhanden. Magie. Die leise, unergründliche Berührung von Magie, die sich verstohlen ihre Beine hinaufwand, an den Armen hinunterkroch und sich in ihrer Magengrube ballte.
    Und es war keine gewöhnliche Magie. Fast jeder hexte ein bisschen vor sich hin; ein ganzer florierender Industriezweig war damit beschäftigt, Zauberbücher und Artefakte für

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