Geisterstadt
mit beschädigtem Erbgut ausgestattet. Und diese Schäden waren auf keine bekannte und verbreitete Missbildung zurückzuführen, sondern so ungewöhnlich, dass wenigstens die beiden Seeker, die die Analyse durchgeführt hatten, nie auch nur davon gehört hatten. Und die Menschen, von denen die Körperteile stammten, waren untereinander irgendwie verwandt gewesen.
Führten die Lamaru etwa Experimente an Menschen durch? Änderten sie ihre ... Nein, sie glaubte nicht, dass es möglich war, die DNS eines lebenden Menschen zu verändern. Aber im Mutterleib, noch vor der Befruchtung ... das war an und für sich schon ein Kapitalverbrechen.
Trotzdem traute sie es den Lamaru durchaus zu. Es gab nichts, was sie den Lamaru nicht zutraute.
Aber verdammte Axt - wie lange hatten sie das schon geplant? Die Körperteile gehörten ja nicht zu Säuglingen oder Kleinkindern, dagegen sprach allein schon die Größe.
Der ganze Bericht war in hochtrabendem akademischem Kauderwelsch abgefasst, das sie nicht wirklich verstand. Normalerweise hatten Debunker mit diesem Aspekt der Ermittlungen auch nichts zu tun. Warum hatte ihr Lauren nicht schon letzte Nacht davon erzählt? Okay, sie war vermutlich davon ausgegangen, dass Chess es noch selbst lesen würde, aber war das nicht etwas, das man gleich am Anfang klarstellen sollte? »Ach übrigens, es sieht ganz danach aus, als würden die Lamaru Menschen mit Erbgutschäden züchten und sie dann umbringen?« War das nicht eine klitzekleine Erwähnung wert?
Wahrscheinlich sollte das ein Test sein. Wie albern war das denn bitte? Falls Lauren irgendwelche Spielchen mit ihr treiben wollte, würde die ganze Sache - ach zum Teufel, das Ganze konnte so lange dauern, wie es wollte, oder? Chess bekam einen Riesen die Woche. Sie konnte das Geld gut brauchen.
Trotzdem würde sie da noch mal nachhaken. Es machte sie nicht gerade happy, wenn man ihr absichtlich etwas vorenthielt, und wenn man ihr bei der Arbeit hintenrum nach dem Motto »Mal gucken, ob sie’s anspricht« auf die Finger guckte, wurde sie noch saurer.
Wo sie schon mal im Geheimarchiv war, gab es noch eine Sache, die sie gerne überprüfen wollte. Die meisten Bücher hier beschäftigten sich mit fortgeschrittener Zauberei und Forschungsergebnissen, also Dingen, die die Kirche nicht jedem x-beliebigen Hexenlehrling auf die Nase binden wollte. Darunter befanden sich auch ein paar Bände über Zauber, die Menschen und Geister miteinander verbanden; die Kunst, Geister in sich aufzunehmen und zu binden. Vielleicht fand sie dort etwas darüber, wie es Maguinness gelungen war - wenn denn Maguinness dahintersteckte -, einen Geist in Lupita hineinzuschmuggeln und wie sie es geschafft hatte, ihn vor ihren Wächtern zu verbergen. Es kam ihr so vor, als hätte sie darüber vor einigen Jahren mal etwas gelesen, als sie zum ersten Mal auf eigene Faust als Debunkerin ermittelt hatte. Eine Familie hatte behauptet, ihre kleine Tochter sei von einem Geist besessen.
Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie wieder daran dachte, wie ihr letzter Fall verlaufen war, und an das Symbol auf Terribles Brust.
Dieses Zeichen hatte einen begabten Kirchenstudenten namens Kemp in ein krankes, besessenes Spielzeug für jeden gerissenen Geist verwandelt, der Verwendung für ihn hatte. Und einer hatte auf alle Fälle etwas mit ihm anzufangen gewusst: Kemp hatte die Batterie und den menschlichen Sklaven für eine ermordete Prostituierte abgegeben, die für immer im Geschäft bleiben wollte. Und das hatte ihm so gut gefallen, dass er jeden umbringen wollte, der ihm in die Quere kam.
Später. Später würde sie sich darüber Sorgen machen, im Moment konnte sie schließlich sowieso nichts daran ändern, solange Terrible nicht mit ihr reden wollte. Was sollte sie denn machen, ihn mit seiner hünenhaften Gestalt zu Boden ringen und ihn zwingen? Ihn in die Ewige Stadt schleppen und dort aussetzen, um mal zu gucken, ob sich vielleicht irgendwelche Geister dafür interessierten, ihn zu übernehmen? Ganz bestimmt. Er hatte bestimmt total Bock auf solche Unternehmungen mit ihr, wo er ja im Moment sowieso total scharf drauf war, was mit ihr zu machen.
Sie überflog das Inhaltsverzeichnis des ältesten Buches auf ihrem Stapel. Ja, genau das hatte sie gesucht. Sie schnappte sich den Stift und machte sich ans Abschreiben.
In seltenen Fällen kann die Verbindung mit einem Geist so stark ausfallen, dass er zu einem Teil des lebendigen Körpers ivird. Erreicht wird
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